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Grandhotel kehrt zu den Wurzeln zurück
Das Augsburger Willkommensprojekt hofft, mit einem neuen Konzept die finanzielle Zukunft zu sichern
Es liegen unruhige Zeiten hinter den »Hoteliers«, wie sich das Organisationsteam des »Grandhotels Cosmopolis« nennt. Ralf Lösch und Salomé Chartón, die beide im Vorstand des Projekts sind, haben sie mit durchlebt. Das 2012 gegründete Kultur- und Hotelprojekt war in eine finanzielle Schieflage geraten und stand vor dem Aus. »Die vergangenen Wochen waren intensiv«, erzählt Lösch. »Seit Jahresbeginn investieren wir jedes Wochenende in die Zukunft des Grandhotels.« Alles ehrenamtlich versteht sich. »Jetzt gibt es erfreuliche Entwicklungen«, schrieb er schon auf Whatsapp, als er den Interviewtermin vereinbarte.
»Wir sind ein Ort der Vielfalt, des echten Miteinanders und als physischer Raum jenseits digitaler Filterblasen, der Menschen wirklich zusammenbringt.«
Ralf Lösch Vorstand des »Grandhotel Cosmopolis«
Das Team hat einen Plan erstellt, wie es künftig die Finanzierung des Projekthauses sichern wird. Dabei seien sie aber nicht allein gewesen, betont Lösch. Neben vielen Freiwilligen der Grandhotel-Community hatten Finanzberater*innen und Fundraiser*innen ihre Expertise angeboten. Auch das große Benefizevent »Local Natives United«, das im März stattfand, sei entscheidend für ein Weitermachen gewesen, erzählt Chartón. Dabei hat das Grandhotel nämlich neben Spenden vor allem eines sammeln wollen: Ideen. Deswegen führten unterschiedliche Panels durch den Abend, wo Finanzlage und Kulturleben diskutiert wurden. Mit dabei waren »viele engagierte Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen«, erklärt Chartón.
Während dieses umfangreichen Beratungsprozesses wuchs der Entschluss, dass es eine radikale Neuaufstellung für das Grandhotel braucht. »Nur wenn wir es schaffen, aus dem Survival-Modus herauszukommen, können wir unsere Energie wieder verstärkt dafür einsetzen, einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten«, erläutert Lösch. Die gemeinsamen Beratungen hätten sich gelohnt, meint Chartón. Schon jetzt sei eine Aufbruchstimmung zu spüren.
Es gab darüber hinaus Spendenaktionen mit Benefizkonzerten oder Karaoke-Abenden, um dem erklärten Spendenziel von 80 000 Euro näherzukommen. Hilfreich für den Neuanfang sei auch die Kulanz der Diakonie, erzählen Lösch und Chartón, die für 2025 einen Mietnachlass zugesagt habe, damit das Projekt mehr Spielraum bei der finanziellen Erholung bekomme.
Dank des neuen Fahrplans sind Chartón und Lösch zuversichtlich, dass das Grandhotel für die Zukunft gewappnet ist, die ihrer Meinung nach einige Herausforderungen mit sich bringen wird. Das Erstarken der AfD und die gesellschaftliche Spaltung gehören für Lösch dazu. »Genau deswegen ist das Grandhotel jetzt wichtiger denn je«, meint er. »Wir sind ein Ort der Vielfalt, des echten Miteinanders und als physischer Raum jenseits digitaler Filterblasen, der Menschen wirklich zusammenbringt.«
Ein neues Konzept ist aber trotzdem notwendig. Für die »Hoteliers« ist das eine Rückkehr zu ihren Wurzeln. Denn ursprünglich war das Grandhotel – wie der Name schon sagt – ein Hotel, das von Geflüchteten betrieben wurde, die ebenfalls in dem Haus lebten. Als während der Corona-Pandemie die Gäste ausblieben, hat sich das Projekt für die sicherere Dauervermietung der Hotelzimmer an Organisationen und Initiativen entschieden. Jetzt soll eine Rückkehr zum Hotelkonzept die Einnahmen anheben. Auch die Vermietung des Konferenzraums im sanierten Dachgeschoss mit Panoramablick über die Stadt und die Mitmach-Werkstatt sollen in Zukunft besser zur Deckung der Mietkosten beitragen. Eine weitere Reform ist die Einrichtung eines Cateringservices, damit die »Hoteliers« die Großküche neben dem Partyraum besser nutzen können.
Für die Umsetzung dieser ambitionierten Pläne braucht das Projekt vor allem eines: Menschen, die mit anpacken. Ob Catering- oder Caféschichten, Verwaltung oder Finanzexpertise – das Grandhotel freut sich über jede neue Hand und jeden neuen Kopf. »Wir werden die neuen Freiwilligen Ende April im Rahmen einer Willkommensveranstaltung offiziell in die Community einführen«, kündigt Chartón an.
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