- Wirtschaft und Umwelt
- Wirtschaftskrise
Mittelstand baut ab
Umsatz, Beschäftigung und Zukunftsaussichten schrumpfen
Alles hängt mit allem zusammen. Dieser Befund wird zwar dem berühmten Naturforscher Alexander von Humboldt zugeschrieben, der vor mehr als 150 Jahren starb, er gilt aber auch grundsätzlich für die Wirtschaft. So schlägt die Schwäche der exportorientierten Industrie in Deutschland inzwischen auch auf kleine und mittlere Unternehmen durch.
Entsprechend schlecht ist die Stimmung im Mittelstand. Dies zeigt der Geschäftsklimaindex CGK der Auskunftei Creditreform, der am Donnerstag in Neuss veröffentlicht wurde. Der CGK-Index sank auf minus 2,9 Punkte. Bereits im dritten Jahr in Folge überwiegt damit in der Bewertung der Geschäftslage die negative Einschätzung. Der Index basiert auf einer repräsentativen Umfrage unter 1200 mittelständischen Unternehmen. Als mittelständisch gelten Betriebe mit bis zu 250 Beschäftigten und einem Umsatz unter 50 Millionen Euro.
Schwache Entwicklung im Mittelstand
Auch zu Jahresbeginn 2025 blieb die konjunkturelle Entwicklung schwach. Wie schon im Vorjahr meldete ein erheblicher Teil der Unternehmen Umsatzrückgänge. »Fünf Jahre nach Pandemie-Beginn und viele Krisen später ist ein Großteil der Unternehmen in Deutschland geradezu verzweifelt«, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Vom politisch erhofften Aufschwung sei aktuell nichts zu spüren. Im Gegenteil: Trotz oder wegen der angekündigten Wirtschaftswende bleibe der Mittelstand misstrauisch.
Belastend wirken die schwache Industrieproduktion, die anhaltende Krise im Baugewerbe, zunehmende geopolitische Unsicherheiten sowie die Zollstreitigkeiten mit den USA und China.
Auch beim Personal halten sich die Unternehmen zurück: Die Mehrheit plant keine Neueinstellungen, ergab die Creditreform-Umfrage. Gleichzeitig setzt sich der Stellenabbau im Mittelstand fort: Über 20 Prozent der Unternehmen meldeten eine Reduzierung des Personalbestands, während nur 14,8 Prozent eine Aufstockung vornahmen.
Investitionen und Umsätze bleiben gering
»Wirtschaft ist immer auch zu einem guten Teil Psychologie«, hatte der erst im Januar angetretene Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, in dieser Woche in einem Interview mit der »Berliner Morgenpost« gesagt. Daher bremst die schlechte Stimmung im Mittelstand auch die Investitionen.
Das anhaltend niedrige Investitionsniveau gilt als ein deutliches Zeichen dafür, dass die deutsche Wirtschaft trotz des anstehenden Regierungswechsels wenig Vertrauen in den Standort hat. Lediglich 41,7 Prozent der befragten Unternehmen planen derzeit Investitionen – ähnlich geringe Werte wurden zuletzt während der Finanzkrise 2007/2009 verzeichnet. Die derzeitige Investitionsschwäche wird in den kommenden Jahren die Wirtschaft zusätzlich belasten.
Im März sanken im Vergleich zum Vorjahresmonat über alle ausgewiesenen Branchen hinweg die Umsätze um 4,5 Prozent, zeigt der in dieser Woche veröffentlichte Datev-Mittelstandsindex. Datev ist der Datenverarbeiter der Steuerberater, die wiederum etwa eine Million Firmen betreuen.
Besonders stark schrumpften demnach der Bau (minus 5,8 Prozent), das Gastgewerbe (minus 5,5 Prozent) und das als Rückgrat der deutschen Wirtschaft geltende verarbeitende Gewerbe (minus 4,1 Prozent). Auch im Vergleich zum Vormonat Februar sanken die Umsätze in allen Branchen.
Während die Umsätze zurückgingen, wurden Vorprodukte teurer und stiegen die Löhne schneller als die Inflation. Vor allem für kleinste und kleine Firmen eine heikle Lage. Viele können die höheren Kosten nicht in höheren Preisen an die Kundschaft weitergeben.
Zwischen Stellenabbau und Personalmangel
Die Folge sind Stellenstreichungen. Der Jobabbau im Mittelstand hat bereits im September des vergangenen Jahres eingesetzt. Diese negative Entwicklung ist von besonderer Bedeutung, weil der Mittelstand für rund 55 Prozent aller Arbeitsplätze in der Bundesrepublik steht. Im März lag die Beschäftigung der kleinen und mittleren Unternehmen um 0,7 Prozent niedriger als vor einem Jahr.
Beschäftigungszuwachs gibt es laut Datev aktuell nur noch in sogenannten staatsnahen Bereichen, also Gesundheit und Soziales. Ein Trend, der sich ähnlich in der gesamten Volkswirtschaft zeigt: Neue Jobs entstehen überwiegend in der öffentlichen Verwaltung. Gleichzeitig klagen viele Mittelständler über Fachkräftemangel.
Wie passt das zusammen? Die Forschungseinrichtungen der Gewerkschaften wie der Bundesagentur für Arbeit verweisen auf den Wandel der Wirtschaft. Während die Nachfrage beispielsweise nach klassischen gewerblichen Produkten für die Autoindustrie sinkt, steigt die Nachfrage nach speziellen Chips und Prozesssensorik. So streichen Unternehmen Stellen und suchen zugleich Fachkräfte, um sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Beobachter fordern daher mehr Qualifizierungsmöglichkeiten für Beschäftigte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.