Saddams FBI-Vernehmer berichtet

TV-Interview: Irak-Diktator rechnete nicht mit einem Angriff der USA

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
935 Mal sollen US-Regierungsmitglieder die Öffentlichkeit in nur zwei Jahren vor dem Irak-Krieg belogen haben. Spitzenreiter der Lügen-Skala ist nach einer entsprechenden US-Studie Präsident Bush. Nun jedoch erfährt die Welt die »ganze Wahrheit«. Von der anderen Seite. Der FBI-Vernehmer des gehenkten Irak-Diktators Saddam Hussein berichtete.

George Piro schaut freundlich und offen aus. Kurzer Haarschnitt, gestutzter Bart, dunkler Anzug, blaues Hemd, rote Krawatte. Präzise beantwortet er die Fragen des Moderators. Er ist ein netter Plauderer. Doch ganz so liebenswürdig werden seine Gespräche mit Saddam wohl nicht abgelaufen sein. Sieben Monate hat der FBI-Spezialist den per Krieg gestürzten irakischen Diktator nach dessen Festnahme Ende 2003 vernommen.

Was ihn dazu prädestinierte? Unter den rund 10 000 FBI-Agenten gibt es nur 15, die fließend Arabisch sprechen. Nun erzählte Piro in den »60 Minutes« des US-TV-Senders CBS, was er da so erfahren hat. Beispielsweise zum Thema Massenvernichtungswaffen. Saddam soll bewusst den Anschein erweckt haben, sein Land verfüge über eine solche Schreckensmacht. Nicht etwa um die USA zu täuschen, die ihren Feldzug ja mit dieser angeblichen Gefahr rechtfertigten. Saddam soll gehofft haben, so den ewigen Widersacher und Nachbarn Iran abschrecken zu können. Irak und Iran hatten sich in den achtziger Jahren einen opfervollen Krieg geleistet.

Die US-Armee hat nach ihrem Sieg in Irak keine atomaren, biologischen oder chemischen Waffen gefunden. Der Gefangene, so Piro, habe versichert, die irakischen Massenvernichtungswaffen seien von den UN-Inspektoren in den neunziger Jahren weitgehend zerstört worden. Den Rest hätte Irak selbst unbrauchbar gemacht. So hatten es die Inspektoren und die irakischen Vertreter auch vor der UNO und bei anderen Gelegenheiten immer wieder versichert.

Piro hat dem Diktator jedoch auch schreckliche Fotos über die Chemiewaffenangriffe seiner Armee auf kurdische Dörfer vorgelegt. Dazu habe Saddam lediglich geantwortet: »Das war notwendig.« Über den Chef des Terrornetzwerkes Al Qaida, Osama bin Laden, sagte Saddam nach den Angaben von Piro, er habe ihn als Fanatiker betrachtet und sei sehr auf der Hut vor dem Terror-Chef gewesen. »Du kannst einem Fanatiker nicht wirklich trauen«, habe Saddam ihm gesagt. In Bin Laden habe er keinen Verbündeten gegen die USA gesehen, sondern eine Bedrohung für sich selbst.

Bei aller rationalen Weltbetrachtung, in einer Frage war Saddam blauäugig. Dass die USA wirklich Irak besetzen und damit seine Herrschaft beenden, konnte sich der einstige Herrscher offenbar nicht vorstellen. Das jedenfalls soll er Piro versichert haben. Saddam habe nur mit einer Strafaktion gerechnet – wie sie bereits 1998 erfolgt ist. Damals, bombardierten die USA Irak vier Tage lang.

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