Brandanschlag nicht ausgeschlossen
Türkischer Ministerpräsident in Ludwigshafen / Kurt Beck: »Wir sind in Trauer vereint«
Ludwigshafen (Agenturen/ND). Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan traf am Donnerstagabend am Unglücksort in Ludwigshafen ein. Er wurde vom rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck begleitet. Vor dem Brandort hatten sich weit mehr als 1000 Menschen versammelt, die meisten von ihnen Türken. Beck sicherte Erdogan zu, alles für die Aufklärung der Brandursache zu tun. »Das Unglück wird uns nicht auseinanderbringen. Wir sind in Trauer vereint«, sagte Beck. Bei dem Brand in dem von türkischen Familien bewohnten Haus waren am Sonntag neun Menschen ums Leben gekommen, darunter fünf Kinder. 60 Menschen wurden verletzt. Ob das Feuer auf Brandstiftung oder einen technischen Defekt zurückgeht, ist noch nicht geklärt.
Die Suche nach der Ursache des Brandes ging am Donnerstag weiter. Sobald weitere Teile des Gebäudes gesichert seien, sollten dort Spürhunde eingesetzt werden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Zudem wollte die Behörde weitere Zeugen vernehmen. Berichte, wonach Verwandte der von dem Brand betroffenen Familien drei Tage vor dem Feuer einen anonymen Drohanruf erhalten hätten, würden überprüft. Ermittelt werde weiter in alle Richtungen. Auch ein fremdenfeindlicher Brandanschlag wird nicht ausgeschlossen. Darüber wurde und wird vor allem in türkischen Medien spekuliert. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, zwei türkische Mädchen hätten berichtet, einen mit Feuer hantierenden Mann am Brandort gesehen zu haben. Außerdem sei zweimal das Wort Hass mit SS-Runen an die Hausfassade geschmiert worden. Auf das Gebäude war bereits im August 2006 ein Brandanschlag verübt worden.
Ministerpräsident Beck warnte vor einer Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses, sollten Unsicherheiten geschürt werden und Verdächtigungen aufkommen. Beck wandte sich gegen Kritik an der Feuerwehr. Diese sei in dem »kürzest denkbaren Zeitraum« an dem Haus gewesen, erste Feuerwehrleute bereits zwei Minuten nach dem Alarm. Ausgelöst durch die Vorwürfe gegen den Einsatz war in der Nacht zum Mittwoch ein Feuerwehrmann in Ludwigshafen angegriffen und verletzt worden.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, mahnte zu Zurückhaltung. Für die These, es könne sich um einen Anschlag handeln, sei es zu früh. Die Berichterstattung über den Brand sei in einigen türkischsprachigen Zeitungen »über das Maß hinausgegangen«, sagte Kolat weiter. Allerdings habe die aggressive Stimmung auch mit politischen Ereignissen der jüngeren Zeit zu tun. Das Zuwanderungsgesetz und die Wahlkampagne des Ministerpräsidenten in Hessen, Roland Koch, hätten »natürlich gleich eine Assoziation zwischen Mölln, Solingen und Ludwigshafen« ausgelöst. In Mölln und Solingen hatte es 1992 bzw. 1993 Brandanschläge auf Türken mit tödlichem Ausgang gegeben.
Die ARD entschied am Donnerstag, die für Sonntag geplante Tatort-Folge »Schatten der Angst« auf den 6. April zu verschieben. Der in Ludwigshafen spielende Film handelt von einer Serie von Morden an türkischen Geschäftsleuten. Auch das Thema Zwangsheirat wird behandelt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.