Albtraum Volksaktie

6000 Kleinaktionäre wollen bei einem Mammutprozess von der Telekom ihr Geld zurück / Der dritte Börsengang der Telekom – einige Gewinner und viele Verlierer

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz vor dem Platzen der New-Economy-Spekulationsblase an der Börse verkaufte die Bundesregierung ein Paket mit T-Aktien an hunderttausende Kleinanleger. Der folgende Kursabsturz beschäftigt die Gerichte.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) konnte an jenem 19. Juni 2000 zufrieden sein mit dem dritten Börsengang der Deutschen Telekom AG. Obwohl die Aktienkurse bereits seit zwölf Wochen fielen, kauften Anleger für insgesamt 15 Milliarden Euro T-Aktien aus dem Bestand des Bundes.

Die unrühmliche Geschichte der vermeintlich sicheren Volksaktie hatte vier Jahre zuvor begonnen. Der Schauspieler Manfred Krug warb allabendlich in flotten Fernsehspots für den Kauf der T-Aktie. Krug war mehr als erfolgreich: 700 Millionen neue Aktien konnte die bis dahin komplett staatliche Telekom AG im November 1996 verkaufen, 41 Prozent davon an bundesdeutsche Kleinanleger. Der Börsengang verhalf dem Finanzmarkt-Kapitalismus in Deutschland zum Durchbruch.

Den Rummel um die T-Aktie hatte ein multimedialer Werbeetat von 100 Millionen Mark stimuliert. Dazu bot der Bonner Konzern Preisnachlässe und ein Bonussystem auf. Die Banken priesen die Aktie der Kundschaft gnadenlos an und senkten dafür ihre Gebühren.

Die Kampagne feierte Triumphe. Mehr als drei Millionen Bundesbürger – bis dahin als Aktienmuffel verschrien – wollten sich auch etwas vom großen Kuchen abschneiden, aber nur jeder Dritte erhielt tatsächlich T-Aktien. Umgerechnet 10,2 Milliarden Euro ließen sich die Anleger die »Einstiegsdroge«, wie eine Wirtschaftszeitung schrieb, kosten. Die Telekom baute mit dem Geld vor allem ihre Schulden ab. Und das tat sie auch 1999 mit den 10,6 Milliarden Euro aus dem zweiten Börsengang.

Der Rausch setzte sich fort. Für viele Anleger war das Dividendenpapier der Telekom die erste Erfahrung mit dem Aktienmarkt. Die Kurse stiegen in jener Zeit der weltweiten Börseneuphorie von Rekord zu Rekord. Die wenigen warnenden Stimmen wurden im Konzert der Gier überhört, die vor allem Technologie- und Internet-Werte am Neuen Markt in luftige Höhen spekulierte. Firmen mit nur einem Dutzend Beschäftigten und einigen PCs erreichten einen Börsenwert von mehreren hundert Millionen DM. Mehr als 20 Prozent der Bundesbürger besaßen nun Aktien.

Der Kurs der T-Aktie stieg vom Emissionskurs von 28,50 Mark (14,57 Euro) auf knapp 105 Euro im März 2000. Dann begann quasi über Nacht die Spekulationsblase an der Börse zu platzen, und auch die T-Aktien gerieten ins Rutschen. Als sich der Kurs bereits im freien Fall befand, wurde die dritte Tranche den privaten Anlegern zu 63,50 Euro angeboten. Erneut griffen Hunderttausende zu, angelockt von Rabatten, Bonusaktien und der Hoffnung auf weitere Kursgewinne. Diesmal waren es keine neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung, und nicht die Telekom sackte die Milliarden ein, sondern der Staat. Finanzminister Eichel verkaufte einen Teil der bei der staatlichen KfW-Bank geparkten Anteile des Bundes. Mit dem Geld aus der größten europäischen Privatisierung wurden Steuersenkungen für die Wirtschaft gegenfinanziert.

Zwei Jahre später erreichte die T-Aktie ihr Rekordtief bei 8 Euro. Für die Volksaktionäre geriet der Börsengang zum finanziellen Desaster. Vorstandsboss Ron Sommer und sein Nachfolger Kai-Uwe Ricke verpulverten viele Milliarden in teuren, aber erfolglosen Auslandsabenteuern und in nutzlosen UMTS-Mobilfunklizenzen.

Mittlerweile laufen der Telekom die Kunden in Scharen weg – zu teuer und zu schlechter Service, so lauten die Vorwürfe an den Multikonzern. Die Privatisierung kam aber auch die Telekom-Beschäftigten teuer zu stehen. Von den 230 000 Arbeitsplätzen vor dem Börsengang haben nur schätzungsweise 100 000 überlebt. Volksaktien-Erfinder Ron Sommer freilich ging mit goldenem Handschlag von 11,6 Millionen Euro in den Ruhestand.

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