Forschungsnetz für ein gutes Gedächtnis

Neurodegenerative Krankheiten: Neues Helmholtz-Zentrum vor dem Start

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein neuer Forschungsverbund mit bislang sieben Standorten will Ursachen, Prävention, Therapie und Pflege von Demenzerkrankungen verbessern.

Alzheimer oder Parkinson – so heißen die Schrecken des Alters heute. Derzeit leiden eine Million Erkrankte über 65 Jahren an den Folgen einer Demenzerkrannkung, pro Jahr kommen 200 000 Neuerkrankungen hinzu – und keine Therapie ist in Sicht. 2050 sei dann jedes zweite Krankenhausbett von einem neuropsychiatrischen Patienten belegt, prophezeien Experten.

Solche Zahlen führten zu der Entscheidung des Forschungsministeriums, jährlich 60 Millionen Euro für ein »Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen« bereitzustellen. Den Rahmen bietet die Helmholtz-Gemeinschaft. Damit kommen noch einmal zehn Prozent der Finanzierungssumme aus den jeweiligen Bundesländern hinzu. Der neue Forschungsverbund mit dem Kernzentrum in Bonn wird mit bundesweit sechs Partnerstandorten zu Ursachen, Verlauf, Vorbeugung, Früherkennung und Therapie arbeiten. Auch Pflege, Alltag und Epidemiologie sind thematisch einbezogen.

Erforscht werden ab 2009 die häufigsten neurodegenerativen Krankheiten – Alzheimer, gefäßbedingte Demenz und Parkinson. Noch ist die Gründungskommission, die Ende 2007 erstmals zusammentrat, mitten in der Vorbereitung. Doch wurden in kürzester Zeit schon Kernzentrum und Partnerstandorte ausgewählt. Bis Mitte 2008 soll ein Direktor bestimmt werden und Nordrhein-Westfalen sagte bereits zu, den Neubau in Bonn zu finanzieren. Dort sollen einige hundert neu zu rekrutierende Wissenschaftler arbeiten.

»Wichtig ist dabei nicht nur ein weitgespannter Forschungsansatz, sondern bei diesen Fragestellungen und wachsenden Krankenzahlen zugleich der translationale Aspekt, also die Umsetzung der Befunde in die klinische Praxis«, so Otmar Wiestler vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, Neuropathologe und Mitglied der Gründungskommission.

An den Partnerstandorten in Göttingen, München, Tübingen, Magdeburg, Witten und Rostock/ Greifswald werden zur Zeit erst die Projektanträge präzisiert. Doch zeigen bisherige Forschungsansätze und Leistungen an den drei ostdeutschen Standorten schon, was diese in den Verbund einbringen können. Magdeburg vermarktet sich als Standort der Neurowissenschaften und hat kognitive Hirnforschung auf hohem Niveau zu bieten. Beteiligt sein werden die Otto-von-Guericke-Uni-versität und das Leibniz-Institut für Neurobiologie. In dem Institut wur-de 2005 Europas erster 7-Tesla-Ultrahochfeld-Kernspintomograph eingeweiht. Mit dieser Technik sind detaillierte Einblicke in Stoffwechselvorgänge des Gehirns möglich.

Mecklenburg-Vorpommern wird mit einem regionalen Modellprojekt Forscher aus Rostock und Greifswald einbeziehen, die zur Versorgung Demenzkranker arbeiten – an Themen wie Demographie, klinischer Forschung und der Verbreitung von Krankheiten.

In Dresden treten die Medizinische Fakultät und das DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien seitens der TU sowie das Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik gemeinsam an, um zusätzlich in die Reihe der Partnerstandorte aufgenommen zu werden. Gerd Kempermann, Koordinator und Sprecher der Antragsteller, ist guter Hoffnung, dass in Dresden u. a. der wissenschaftliche Nachweis dafür erbracht werden kann, welche Formen eines aktiven Lebens vorbeugend gegen neurodegenerative Krankheiten wirken können. Daneben geht es um Stammzellforschung und gegebenenfalls den Ersatz erkrankter Zellen.

Neuopathologe Otmar Wiestler sieht den Forschungsverbund vor der Aufgabe, eine funktionierende Arbeitsstruktur für die vielen Beteiligten zu finden, die »mehr als ein virtuelles System« ist, außerdem auch Patienten einbezieht. International gebe es kein Vorbild, national könne man sich vielleicht einiges bei dem allerdings »branchenfremden« Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit acht Standorten abschauen.

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