Das Haus verwalten und nicht nur schimpfen

In der Landeshauptstadt geht es um die Macht und um viel Prestige / Nach schweren Zeiten hofft Dresdens LINKE im OB-Wahlkampf auf den Achtungserfolg eines »Regierungssozialisten«

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 6 Min.
Am Sonntag wird in Sachsens Kommunen gewählt. Eine »Prestigewahl« findet in Dresden statt – auch für die LINKE, die nach dem Streit um Wohnungsprivatisierungen wieder Stärke demonstrieren will.

Brückenwähler erkennt er auf den ersten Blick. Wenn ein Dresdner mit erkennbar hohem Adrenalinspiegel auf den Wahlstand zustürmt, »dann ist alles klar«, sagt Klaus Sühl: Der Bürger will wissen, wie es der Kandidat denn mit der Waldschlösschenbrücke hält. Fast scheint es, als würde in Sachsens Landeshauptstadt am Sonntag nicht ein Oberbürgermeister, sondern ein oberster Brückenbaumeister gesucht. Die Flussquerung, deren begonnenen Bau die UNESCO Anfang Juli mit der Aberkennung des Weltkulturerbe-Titels quittieren dürfte, taucht auf keinem Plakat, in kaum einer Kandidatenrunde auf – und ist doch allgegenwärtig: Das, bedauert Sühl, »hat die CDU geschafft«.

»Ich bin mit niemandem zerstritten«

Sühl würde mit den Wählern lieber über andere Themen reden – nicht nur, weil ein Rathauschef ans Gesetz gebunden ist und nach derzeitiger Lage die Brücke bauen lassen müsste. Es gebe auch »Wichtigeres als die Brücke«. Dass der promovierte Politologe damit Schulsanierung, die Entwicklung benachteiligter Stadtviertel oder kostenloses Mittagessen für Kinder aus Hartz-IV-Familien meint, überrascht nicht; schließlich will er, wie es auf einem Wahlplakat heißt, in Dresden »erster von links« werden.

Die Unterschrift unter dem Foto, das Sühl mit einer Dresdner Kulturpolitikerin zeigt, ist durchaus hintersinnig: Zum einen saßen an der Spitze der Dresdner Verwaltung bisher der CDU-Mann Herbert Wagner und der 2001 auch mit Rückhalt der PDS gewählte Ingolf Roßberg von der FDP, aber noch kein linker Politiker. Zum anderen aber muss vielen Dresdnern noch erklärt werden, wer Sühl ist: Der gebürtige Niedersachse hat bislang in Berlin gearbeitet, wo er an der Freien Universität lehrte und ein Europäisches Informationszentrum leitete, und war in Schwerin Staatssekretär im Arbeitsministerium unter PDS-Minister Helmut Holter. In der Dresdner Lokalpolitik aber ist er neu.

Auch wenn klar ist, dass die für ihre besonders innige Hochschätzung der Stadt und ihrer Bewohner bekannten Dresdner dem zugereisten Kandidaten eine gewisse Skepsis entgegenbringen dürften, sieht Sühl darin nicht unbedingt einen Nachteil. Er hält sich vielmehr einen »Blick von außen« zugute und zieht Parallelen zur drittklassigen Fußballmannschaft von Dynamo Dresden, die »auch nicht in der Champions League spielen kann, wenn sie nur auf Dresdner setzt«. Außerdem sei er nicht in die Grabenkämpfe der örtlichen Kommunalpolitik verwickelt, die sich über Themen wie Operette, Kulturpalast, Straßenausbau oder eben den notorischen Brückenbau am Waldschlösschen leidenschaftlich streitet – oft seit Jahren und ohne greifbares Ergebnis. »Ich«, sagt Sühl lächelnd, »bin mit niemandem zerstritten.«

Hoffnung auf eine zweite Runde

Das gilt nicht zuletzt für die eigene Partei. Denn zu den Widrigkeiten, mit denen der Kandidat konfrontiert ist, gehört der noch immer eher traurige Zustand der Dresdner LINKEN. Nach Querelen über den politischen Kurs, die in dem von Teilen der Fraktion mitgetragenen Verkauf der Wohnungsgesellschaft WOBA eskalierten, hat sich die 17-köpfige Ratsvertretung gespalten; die eigentlich zweitstärkste Kraft rangiert dort nun auf Augenhöhe mit SPD und Grünen.

Die Parteispitze begrüßt die Trennung: »Wer Privatisierungen das Wort redet, hat eine politische Ansicht«, sagte der Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im OB-Wahlkampf: »Die gehört aber nicht in die LINKE.« Viele Dresdner Wähler indes dürfte die Partei derzeit verwirren: Eine Gruppe pragmatischer und teils recht prominenter (Ex-)Genossen setzt auf Absprachen im Rat unter anderem mit der CDU; die von der Partei gestützte Fraktion dagegen strebt ein klareres Profil an und baut auf eine linke Mehrheit im Rat. Die Umfragewerte erholen sich nur langsam. Auch flackert der Konflikt immer wieder auf, etwa wenn es um die bevorstehende Neuwahl mehrerer Fachbürgermeister geht. Immerhin: Im OB-Wahlkampf gab es keine Querschüsse, was wohl auch am Kandidaten liegt. Sühl wurde vom parteilinken Flügel um den Stadtvorstand aufgestellt, zählt als Ex-Staatssekretär aber zu den »Regierungssozialisten«.

Auch in Dresden will Sühl, wie er sagt, »das Haus verwalten und nicht nur den Hausverwalter kritisieren«. Er betont, die LINKE bewerbe sich »sehr ernsthaft« um den Chefposten. Ob die Bürger sie in diesem Amt sehen wollen, muss sich zeigen: Zuletzt hatte die Partei bei OB-Wahlen in Sachsens Großstädten eher magere Ergebnisse eingefahren. Auch in Dresden liegt Sühl in Umfragen mit 12 bis 15 Prozent nur im Verfolgerfeld, klar hinter der CDU-Kandidatin und Sozialministerin Helma Orosz. Deren Durchmarsch wollen LINKE, SPD und Grüne verhindern, wozu für die zweite Runde eine Absprache zugunsten des Bestplatzierten im Gespräch ist. Das will, allen Widrigkeiten zum Trotz, Sühl sein. Man habe es »geschafft, die Partei zu mobilisieren, und die mobilisiert unsere Stammwähler«, hofft er und baut darauf, dass Umfragen die LINKE unterschätzen: »20 Prozent wären objektiv zu wenig.«


Wahl in Dresden

• In ganz Sachsen finden am 8. Juni Kommunalwahlen statt. Gewählt werden die Kreistage der durch eine Gebietsreform ab 1. August neu gebildeten zehn Landkreise, deren Landräte und viele Bürgermeister. Unter den großen Städten bestimmen nur Dresden und Zwickau neue OB.

• Die Wahl in Dresden gilt als prestigeträchtig. In der Landeshauptstadt war das Rathaus, anders als in Leipzig und Chemnitz, lange in CDU-Hand. 2001 wurde OB Herbert Wagner von Ingolf Roßberg abgelöst, der von PDS, SPD und Grünen unterstützt wurde. Für die CDU hat die Rückeroberung des Verwaltungspostens höchste Priorität.

• Seit Mai 2006 ist Dresden ohne amtierenden Oberbürgermeister. Roßberg ließ sein Amt ruhen, nachdem er wegen Untreue, Beihilfe zum Bankrott und Vorteilsnahme angeklagt worden war. Hintergrund sind Beraterverträge für einen Bekannten nach der Elbeflut 2002. Im September 2006 wurde der FDP-Politiker zu einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Bundesgerichtshof verlangte später aber eine Neuverhandlung, die derzeit am Landgericht Dresden stattfindet.

• Am Sonntag haben 422 883 Dresdner Wahlberechtigte die Wahl unter acht Bewerbern. Die CDU nominierte die 55-jährige Sozialministerin Helma Orosz, die schon OB in Weißwasser war, die LINKE den 56-jährigen Ex-Staatssekretär Klaus Sühl. SPD und Grüne schicken ihre Ratsfraktions-Vorsitzenden Peter Lames und Eva Jähnigen ins Rennen, die im Hauptberuf Juristen sind. Die FDP stellte Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert auf. Dazu kommen der Bürgerrechtler Friedrich Bolz, BüSo-Bewerber Marcus Kührt und der Republikaner Dirk Hacaj für die rechtspopulistische Sächsische Volkspartei.

• Wird die absolute Mehrheit verfehlt, gibt es am 22. Juni eine Wiederholungswahl, zu der alle bisherigen und sogar neue Bewerber antreten können.
HLA

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