Rechtzeitige Information der Bürger ist Pflicht
Straßenausbaubeitrag
Auch für den Straßenausbau und die entsprechenden Satzungen gilt: Wer Zahlungen fordert, muss vorher ordentlich informieren. Die zwingende Festlegung, die Bürger rechtzeitig zu unterrichten, fehlt jedoch oftmals in den bekannten Satzungen der Städte und Gemeinden.
§ 16 der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg (BbgGemO) verpflichtet die Gemeinden, ihre Einwohner über alle bedeutsamen allgemeinen Angelegenheiten zu informieren. Es heißt hierzu: »(1) Die Gemeindevertretung unterrichtet die Einwohner durch den Bürgermeister über die allgemeinen bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde und fördert die Mitwirkung der Einwohner an der Lösung kommunaler Aufgaben.
(2) Bei wichtigen Planungen und Vorhaben der Gemeinde, die das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl der Einwohner nachhaltig berühren, sind die Einwohner möglichst frühzeitig über die Grundlagen sowie Ziele, Zwecke und Auswirkungen zu unterrichten.«
Ein Straßenausbau stellt zweifellos eine bedeutsame Angelegenheit dar. Selbst wenn ein Anspruch auf bestimmte Information vor dem Verwaltungsgericht nicht einklagbar ist, kann die Verpflichtung der Gemeinde, ihre Bürger ausreichend zu informieren bei der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde des jeweiligen Landkreises durchgesetzt werden. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Georg Brüggen, Dresden, gehört zu einer umfassenden Unterrichtung z. B. die Offenlegung der Planung, insbesondere aber die Bemessung der Folgen, d. h. die voraussichtliche Höhe der Straßenausbaubeiträge für die konkret geplante Maßnahme. Außerdem müssen auch geeignete Alternativen für die geplante Maßnahme aufgezeigt werden.
Schließlich muss die Unterrichtung rechtzeitig genug erfolgen. Erfolgt die Information erst, wenn der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Gemeindeverwaltung und/oder der Gemeindevertretung abgeschlossen ist, ist dies kaum noch sinnvoll. Die Gemeindevertretung braucht die Meinung der Bürger für eine angemessene Entscheidung.
Die Behandlung in der Gemeindevertretung sollte stets im Sinne einer ersten Lesung erfol-gen, d. h. dass die Gemeindevertretung lediglich die Planung zur Kenntnis nimmt und sie zur Anhörung bzw. zur Diskussion für die betroffenen Bürger freigibt. Erst wenn die Verwaltung durch den Bürgermeister die Gemeindevertretung darüber informiert, wie die betroffenen Bürger zu dieser Planung stehen, kann es zur zweiten und abschließenden Behandlung in der Gemeindevertretung kommen.
Die Regelung im § 16 der BbgGemO zur Unterrichtung der Einwohner ist eine Verfahrensvorschrift. Die Verletzung der Unterrichtungspflicht stellt damit auch einen Verfahrensfehler dar. Nach allgemeiner Meinung der Gerichte und der Rechtsliteratur beeinträchtigt dieser Verfahrensfehler aber nicht die Rechtmäßigkeit der betroffenen Maßnahmen. Im Gemeindestraßen-Leitfaden Brandenburg heißt es u.a.: »Die rechtzeitige Beteiligung von Bürgern, Betroffenen und Anliegern erleichtert die Durchführung der Planung und die Umsetzung der Maßnahme. Dabei sollten den Betroffenen auch die auf sie zukommenden Kosten vermittelt werden. Dabei ist zu verdeutlichen, dass es sich um Kostenschätzungen handelt. Die Ergebnisse der Ausschreibungen, Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen oder technischen Schwierigkeiten können zu Änderungen führen.«
Der Maßnahmeplan sollte bereits vor der Planung mit den Bürgern diskutiert und mit den Trägern öffentlicher Belange, insbesondere den Versorgungsträgern, den Versorgungsunternehmen, der Feuerwehr, der Müllabfuhr und der Straßenverkehrsbehörde abgestimmt werden. Dazu gehört vor Beginn der Baumaßnahme die detaillierte Information über Bauablauf, Absperrungen, Beeinträchtigungen, Bauzeiten und Ansprechpartner während der Bauphase.
Wenn die Gemeinde keine oder eine nur unzutreffende Unterrichtung vornimmt, kann die Rechtsaufsicht veranlassen, dass die Gemeinde sich rechtskonform verhält. Es besteht aber keine Pflicht der Rechtsaufsicht einzuschreiten. Wenn die Bürger der Rechtsaufsichtsbehörde gegenüber Verstöße gegen § 16 der BbgGemO durch Gemeinden rügen, wird diese in der Regel gegen die Gemeinden einschreiten.
Neben dieser öffentlich-rechtlichen Seite gibt es aber auch eine zivilrechtliche Seite bei Verstößen. Unter diesen Gesichtspunkten muss geprüft werden, ob ggfls. Amtshaftungsansprüche wegen Verstoßes gegen die Informationspflicht gegeben sind. Daher muss der konkrete Einzelfall geprüft werden. Der Nachweis eines Schadens wegen mangelnder Information ist der entscheidende »Knackpunkt«.
WILLIBALD FALKERT, Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein Niederbarnim Süd e. V., 15370 Petershagen
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