Heimarbeit: Unter den Anbietern tummeln sich vermehrt schwarze Schafe
Arbeitsverhältnis
Dank Internet, Faxgerät und sonstiger moderner Technik erfreut sich Heimarbeit größeren Interesses. Zumal sie manchem die Möglichkeit bietet, sich aus der Arbeitslosigkeit zu verabschieden. Oder Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen. In sozialer Hinsicht hat Heimarbeit natürlich nicht geringe Nachteile – das sollte auch bedacht werden.
Unter den Anbietern von Heimarbeit tummeln sich vermehrt schwarze Schafe. In dubiosen Kleinanzeigen werben sie mit dem schnellen Geld: www.zusaetzlich-geld-verdienen.de, »15 Euro Stundenlohn für Kugelschreibermontage« oder »Attraktiver Nebenjob« sind nur ein paar Beispiele für Überschriften, mit denen Jobsuchende angelockt werden.
Aber: »Vorsicht ist immer dann geboten, wenn die auszuführende Tätigkeit nicht klar beschrieben ist, aber hohe Verdienstmöglichkeiten in Aussicht gestellt werden«, so Anne Kronzucker, Rechtsexpertin der D.A.S. Inserate mit Angeboten wie »Arbeiten von zu Hause aus, PC/lnternet erforderlich« sind durchaus üblich und oft unproblematisch. Sobald der Interessent aber für nähere Informationen eine 0900er oder 0180er-Nummer wählt, kostenpflichtiges Infomaterial bestellt oder gar ein Computerprogramm kaufen muss, ist Vorsicht geboten: In den meisten Fällen handelt es sich um einen unseriösen Anbieter, der auf diese Weise Geld machen will.
Ein typisches Beispiel unter den dubiosen Angeboten ist die Montage von Kugelschreibern in Heimarbeit. »Das ist der größte Betrug! Kein Mensch lässt heutzutage mehr Kugelschreiber in Handarbeit herstellen, denn diese werden natürlich maschinell gefertigt«, so die Juristin. Dahinter steckt eine schlichte Abzocke.
Die Interessenten leisten Vorkasse für das angeblich benötigte Material, in Wahrheit werden sie nur zur Kasse gebeten, denn eine Firma existiert nicht. So kommt der Anbieter eines angeblichen Jobangebots schnell zu einem stattlichen Einkommen, wenn beispielsweise 1000 Arbeitssuchende eine Vorab-Zahlung von 20 Euro für Material leisten.
Beliebt ist auch der Verkauf von Adressen von Firmen, die – angeblich – Aufträge für die Kugelschreibermontage zu vergeben haben. Auch hier wird dem Interessenten ohne Gegenleistung Geld aus der Tasche gezogen.
Seriöse Anbieter von Heimarbeit halten sich an die einschlägigen Gesetze. Firmen müssen Heimarbeit der zuständigen Behörde – oft ist dies das Gewerbeaufsichtsamt – melden und die Beschäftigten namentlich nennen. »Heimarbeiter sind sozialversicherungspflichtig. Sie haben Anspruch auf Mindestlöhne sowie auf Elternzeit«, erläutert Kronzucker. Im Bereich des Kündigungsschutzes gilt für sie § 29 des Heimarbeitsgesetzes als Sonderregelung. Diese Vorschrift enthält Kündigungsfristen abhängig von der Beschäftigungsdauer.
»Auch die Bezahlung der Heimarbeit ist eindeutig festgesetzt, nämlich in den sogenannten bindenden Festsetzungen der Heimarbeitsausschüsse der Arbeitsbehörden. Diese Festsetzungen ähneln den Tarifverträgen. Meist wird nach Stückzahl entlohnt, ein Mindestlohn darf jedoch auch in diesem Fall nicht unterschritten werden«, so die Rechtsexpertin.
Problematisch ist der derzeitige Trend, den sozialen Arbeitsschutz zu verwässern bzw. zu umgehen: Die Auftraggeber wollen weder Kontrolle noch die hohen Lohnnebenkosten tragen. Deshalb legen sie Heimarbeitern nahe, ein Gewerbe anzumelden und eine Förderung zur Existenzgründung zu beantragen. Das ist juristisch gesehen eine absolute Grauzone. Betroffene sollten sich unbedingt umfassend über Vor- und Nachteile informieren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.