Bizarrer Föderalismus
Es sei nicht länger hinnehmbar, dass jedes Jahr zehntausende Studienplätze in Mangelfächern unbesetzt bleiben, weil sich die 16 Länder und die Rektoren nicht über ein für alle Hochschulen verbindliches Nachrückverfahren verständigen können. Diese Klage kommt von der Vorsitzenden des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD). Sie spricht damit ein Thema an, das auch den Studierenden zunehmend auf den Nägeln brennt. Schließlich sind sie die Leidtragenden, wenn sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die Politik und die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplatzen (ZVS) bislang nicht über ein einheitliches Modell für die Einschreibung einigen können.
Diese Instanzen schieben sich derweil weiter gegenseitig die Schuld zu. So erklärt die HRK in ihrer aktuellen Pressemitteilung, dass die ZVS das von ihr selbst vorgelegte Übergangsverfahren nicht fristgerecht umsetzen konnte.
Der studentische Dachverband fzs fordert als Konsequenz aus dem Kompetenzgerangel ein bundesweit zentrales Zulassungsgesetz. Schließlich ist das Zulassungschaos die Konsequenz einer Politik, die unter dem Oberbegriff des Föderalismus eine bundesweite Bildungspolitik verhindert.
Dahinter steckt ein grundlegendes Problem: Bildung wird von den Verfechtern des schlanken Staats nicht mehr als gesamtstaatliche Aufgabe begriffen. Davon profitieren zum Beispiel Studierende aus wohlhabenden Familien, die sich Privatuniversitäten leisten können und deshalb auf die zulassungsbeschränkten Fächer nicht angewiesen sind.
Das Zulassungschaos ermöglicht Studierendenorganisationen, die die Forderung nach »Bildung für Alle« noch nicht aufgegeben haben, aber auch eine Chance, wenn sie es schaffen, die verfehlte Ideologie des Bildungsföderalismus wieder zum öffentlichen Thema zu machen.
Der Autor ist freier Journalist und lebt in Berlin.
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