Aktueller Schießbefehl

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Taschenkarte – ursprünglich war das Ding einmal dafür gedacht, jedem Bundeswehr-Soldaten klar zu machen, dass er bei der Wache oder bei einer Streife nicht nach Gutdünken um sich schießen darf. Um »den militärischen Sicherheitsbereich gegen unberechtigten Zugang zu schützen« und »Angriffe abzuwehren, die sich gegen Personal und Rechtsgüter der Bundeswehr und der verbündeten Streitkräfte richten«, galt die klare Regel: Erster Anruf, zweiter Anruf oder Warnschuss ... Reichte das zur Abschreckung eines möglichen Angreifers nicht aus, durfte gezielt abgedrückt werden. So war es einmal. Im Frieden.

Zugegeben, es ist etwas schwerer, auf Paschtunisch oder in irgendeiner anderen Sprache, die in Afghanistan üblich ist, seinen Friedenswillen und seine Autorität zu beweisen. Daher hatte man die Taschenkarten-Formel bereits vor drei Jahren verkürzt. Ein deutscher Soldat musste sich fortan nur noch »soweit praktisch möglich« an das humanitäre Kriegsvölkerrecht halten. Eine bekannte Methode – die politische Führung schob die Verantwortung, einen niemals so erteilten Schießbefehl auszuführen, einfach dem letzten Untergebenen zu. Seit Freitag gibt es nun eine neue »Klarstellung« auf der Taschenkarte. Ein Soldat muss sich nicht mehr angegriffen fühlen, um loszuballern. Und auch wenn der, den man als Feind identifiziert hat oder zugewiesen bekam, flieht, muss der Soldat den Lauf nicht senken.

Wer in den Unterstützungsauftrag genannten Krieg ziehen will, sollte sich fragen: Kann ich einem Menschen in den Rücken schießen? Und bin ich bereit, mich so zu einem seelischen Krüppel machen zu lassen?

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