»Biodeutsch«: Vom linken Scherzwort zum rechten Kampfbegriff

Christof Meueler über das Unwort des Jahres

Irgendwelche »Biodeutschen« unter den Gemüsesorten?
Irgendwelche »Biodeutschen« unter den Gemüsesorten?

»Biodeutsch« ist zum Unwort des Jahres 2024 gekürt worden. Die Unterscheidung in »echte« Deutsche und weniger echte Deutsche sei »eine Form von Alltagsrassismus«, teilte die ehrenamtliche Jury aus Marburg mit. Sie dokumentiert damit die Wandlung von »biodeutsch« vom linken Scherz- zum rechten Kampfbegriff. In den 90ern war dies, abgeleitet von den sich ausbreitenden Bioläden, ein Kommentar auf die damaligen Blut-und-Boden Bestimmungen, wer deutsch sein darf und wer nicht.

In linksliberalen Medien und Veranstaltungen war es der ironische Gegensatz zu »Multikulti«, ein ursprünglich positiv besetztes Symbol für neue Erfahrungen und Toleranz, das heute – in Abstufungen von links bis rechtsaußen – allgemein verachtet wird. Damals wurden Autoaufkleber wie »Alle Menschen sind Ausländer, fast überall« oder »Ausländer! Lasst uns mit diesen Deutschen nicht allein« geschätzt, von den Leuten, die nicht die CDU wählen wollten.

Die meisten, die heute nicht die CDU wählen wollen, entscheiden sich für die AfD. Sie hat die Scherze über die bornierte Mehrheitsgesellschaft umgedreht: Die Rechtsradikalen möchten stolz sein, »biodeutsch« zu sein. Und wer das angeblich nicht ist, der fliegt raus. »Remigration« steht im Wahlprogramm der AfD 2025. In den 90er Jahren war das eine isolierte Forderung der NPD. In der Tendenz trotteln heute alle außer der Linkspartei hinterher, etwa wenn deutsche Pässe aberkannt werden sollen. Das ist keine Theorie, sondern schon Praxis in der »Demokratie«. Auch so ein Wort, das zusehends von rechts instrumentalisert wird.

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