»So unbedarft kann man gar nicht sein«
Wirbel um NPD-nahe Schöffin in Riesa
Herbert Zapf klingt ein wenig resigniert. Fast ununterbrochen muss der Direktor des Amtsgerichts im sächsischen Riesa Presseanfragen zu einer Schöffin beantworten, von der seit einem Beitrag des Magazins »Fakt« bekannt ist, dass sie Sympathisantin der NPD ist. »Wir wussten das nicht«, sagt Zapf: »Die Stadt Strehla hat uns hängen lassen.«
Im Strehla wohnt Ines Schreiber, eine Krankenschwester, die zwar parteilos ist, aber bei der Wahl des Kreistags für die NPD kandidierte. Zudem hat sich die Frau, die laut »Sächsischer Zeitung« einer verbreiteten rechtsextremen Parole zufolge die Todesstrafe für Kinderschänder befürwortet, als Schöffin am Amtsgericht beworben. Auslöser war ein vom NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel verfasster und auch per Pressemitteilung verteilter Aufruf, wonach sich »nationale Bürger« in solche Ämter wählen lassen sollten, um so das »gesunden Volksempfinden« in die Justiz zu tragen und die angebliche »liberale Weicheierei« in den Gerichtssälen zu beenden. So könnten höhere Strafen gegen Ausländer und Linke erreicht werden.
In vielen Gemeinden war diese Strategie offenbar nicht bekannt – auch im Landkreis Riesa-Großenhain, wo sich die NPD rund um den Sitz des Parteiverlages »Deutsche Stimme« massiv um den Aufbau eine Hochburg müht und politische Schwergewichte wie Gansel und Landtags-Fraktionschef Holger Apfel in den Kreistag schickt. Bei der »Deutschen Stimme« soll auch der Ehemann Schreibers arbeiten, die mit ihrer erfolgreichen Bewerbung für Entsetzen sorgt.
Zu denen, die nur den Kopf schütteln, gehört auch Bärbel Heim, die Fraktionschefin der LINKEN im Kreistag. Sie bemüht sich seit langem um offensive politische Auseinandersetzung mit der NPD und ist erschüttert angesichts von Meldungen, wonach die dem Schöffen-Wahlausschuss unterbreitete Vorschlagsliste im Stadtrat von Strehla einstimmig bestätigt worden sein soll, was der Bürgermeister mit der Tatsache begründet habe, die NPD sei schließlich keine verbotene Partei. »So unbedarft kann man doch gar nicht sein«, sagt Heim, die derzeit allerdings auch klären muss, wie sich ihre eigene Fraktion verhalten hat. Die LINKE ist im Stadtrat von Strehla vertreten; die Fraktion bestehe jedoch aus Sympathisanten und nicht aus Genossen, sagt Heim: »Wir klären das«, sagt die Kommunalpolitikerin, die sich vor allem über die mangelhafte Informationspolitik ärgert: »Hätten wir ein Zeichen bekommen, dann hätten wir reagiert.«
Reagieren will nun der Freistaat. Man wolle sich einem Vorstoß des Landes Brandenburg im Bundesrat anschließen, um Entlassungsverfahren an Gerichten zu erleichtern. Die SPD betont, das sei nicht nötig. Sie verweist auf ein erst im Mai 2008 ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, wonach bei ehrenamtlichen Richtern eine besondere Verfassungstreue verlangt werde. Damit wurde die Entlassung des Mitglieds einer Neonazi-Rockband als Schöffe an einem süddeutschen Gericht bestätigt.
Am Amtsgericht Riesa ist dieses Urteil bekannt. Auch dort wird nun ein Verfahren eingeleitet, um die unliebsame Schöffin wieder loszuwerden. Diese habe indes zunächst zwei Wochen Zeit, sich zu äußern, sagte Gerichtsdirektor Zapf. Die NPD äußerte sich empört – und deutete an, dass Schreiber längst kein Einzelfall ist: Manche Mitglieder, erklärte Fraktionschef Holger Apfel, seien schließlich »schon seit vielen Jahren« als ehrenamtliche Richter tätig.
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