»An saubere Sieger glaube ich nicht«

Das ARD-Feature »Geheimsache Doping« stellt die Schnellmacher der Leichtathletik vor

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Man kann die Uhr nach Stefan Matschiner stellen. Naht ein Sportgroßereignis, zündet der Dopingkoordinator des österreichischen Radprofis Bernhard Kohl eine Stinkbombe, die die schöne Feststimmung zu stören droht. Vor der Tour de France berichtete der Österreicher von einem deutschen Ex-Profi, der von Kohl dopingmäßig bedient worden sein soll. Drei Tage vor der Leichtathletik-WM gibt der Ex-Leichtathlet Matschiner nun bekannt, dass unter seinen Kunden auch ein aktueller deutscher Landesmeister über eine Laufstrecke gewesen sein soll.

Matschiner machte diese Aussage im ARD-Feature »Geheimsache Doping«, das heute Nacht gesendet wird. Namen und Disziplin des Athleten nennt er nicht. Der ARD sei der Sportler bekannt, er werde aber aus juristischen Gründen nicht veröffentlicht, sagt der Autor des Beitrags, Hajo Seppelt.

Diese deutsche Komponente ist nur ein kleiner Teil der 30-minütigen Recherche über die Dopingdrahtzieher in der Leichtathletik. Großen Raum nehmen die Aussagen des Mexikaners Angel Heredia ein. Der frühere Diskuswerfer, Chemiker-Sohn und selbst Pharmazeut, hatte die US-amerikanische Sportgruppe von Trevor Graham mit dem branchenüblichen Mix aus EPO, Wachstumshormon, Testosteron und Insulin versorgt. Zu Grahams Athleten gehörten die Sprintdiva Marion Jones, deren einstige Lebenspartner Tim Montgomery (Sprint) und CJ Hunter (Kugelstoßen), aber auch Ex-100-m-Weltrekordler Maurice Greene, von dem Zahlungen über 32 000 Dollar an Heredia belegt sind.

Heredia hatte nach gegenseitigen Anzeigen Grahams und dessen Konkurrenten Victor Conte (der hatte das Designersteroid THG hergestellt) ausgepackt, war dann aber untergetaucht. Die ARD spürte Heredia in Mexiko-Stadt auf, wo er aus Angst angeblich wöchentlich Telefon und Unterkunft wechselt. Mit Adidas-Mütze – der Sponsor vieler seiner früheren Klienten – auf dem Kopf, gewährt Heredia Einblick ins Geschäft: »Neun von zehn Athleten nehmen Wachstumshormon. Es mag saubere Sportler geben. An saubere Sieger glaube ich aber nicht.«

Heredia mixt vor der Kamera eine Testosteronsalbe zusammen, spritzt sich EPO in den Bauch und geht mit den Journalisten auf EPO-Einkaufstour in mexikanische Apotheken. Seppelts Co-Autor Robert Kempe bringt die Medikamente dann problemlos über die Grenze nach Texas. Heredia hat wie Matschiner Kontakte zu Laboren, die Dopingkontrollen vornähmen, die Ergebnisse aber nur den Auftraggebern mitteilten. So kann man das Dopingprogramm optimieren.

Dritter Handlungsort ist Jamaika. Dort scheint Doping nur für Ex-Weltrekordler Asafa Powell ein Problem. »Ich traue keinem«, sagt der Sprinter. Sein Nachfolger als 100-m-Weltrekordler Usain Bolt weiß erst einmal nichts mit der Frage anzufangen, ob er je gedopt habe. Er knetet sein Kinn, blickt verlegen in die Kamera und verneint erst mit Verzögerung. Bolts unprofessionelle Reaktion ist ein Zeichen mangelnder Übung auf kritische Nachfragen. Er scheint in eine Rundum-Sorglos-Infrastruktur aus Doping, Antidoping und Spitzensport eingebettet.

Seppelt folgt der Spur einer bekannten Dopinghändlerin bis ins Kraftstudio von Bolt. Der langjährige Mannschaftsarzt der Leichtathleten der Karibikinsel, Herb Elliott, hat als Boss der Nationalen Anti-Dopingagentur die Kontrolltätigkeit voll im Griff. Die Bedingungen für Doping sind auf Jamaika offenbar so günstig wie die Medaillenausbeute hoch ist. Der Zusammenhang mag zufällig sein, vielleicht ist er aber auch kausal begründet.

»Geheimsache Doping« beleuchtet den Innenraum der Weltleichtathletik und beschreibt Praktiken, die gar nicht so geheim mehr sind. Der ARD hätte es gut angestanden, diesen Beitrag zu besserer Sendezeit und in größtmöglicher Nähe zu den Finalläufen zu zeigen. Aber medial wächst noch nicht zusammen, was trainingsmethodisch längst zusammengehört. Ulrich Loke von der ARD-Dopingredaktion nimmt die Programmplaner seiner Anstalt aber in Schutz. »Wir haben erst sehr spät einen Sendeplatz angemeldet, weil die Recherchen viel Zeit in Anspruch genommen hatten. Wir sind eher froh darüber, sechs Wochen vor Sendetermin überhaupt noch einen Platz gefunden zu haben«, erklärte er.

»Geheimsache Doping«. ARD: 12. August 0.00 Uhr, Phoenix: 14. August 14.45 Uhr.

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