Jacob Zuma punktet trotz vieler Probleme

Nach 100 Tagen wird dem südafrikanischen Präsidenten überwiegend ein gutes Zeugnis ausgestellt

  • Hans-Georg Schleicher
  • Lesedauer: 3 Min.
Analysten in Südafrika und internationale Beobachter sind gleichermaßen überrascht: Nach 100 Tagen im Amt erscheint der kontroverse Jacob Zuma souverän und gestärkt, findet allgemein Zustimmung, Medien sprechen vom Präsidenten des Volkes.

Keiner der vier südafrikanischen Präsidenten seit 1994 war bei seinem Amtsantritt so umstritten wie Jacob Zuma. Oppositionspolitiker bezweifelten, ob er der Würde des höchsten Staatsamtes gerecht werden würde. Die bissigen Attacken nationaler und internationaler Medien beschäftigen noch heute Gerichte. Am 9. Mai wurde Zuma vereidigt, heute scheint es, als ob es keinen besseren Präsidenten am Kap geben könnte.

Die Veränderung seiner negativen Wahrnehmung in den Medien und auch bei Politikerkollegen ist einer der Erfolge Zumas. Führer der Oppositionsparteien, die einst durch ein Aktionsbündnis diesen Präsidenten um jeden Preis verhindern wollten, geben jetzt eine ausgewogene, erstaunlich positive Bewertung Zumas. Noch Anfang 2009 demonstrierte Oppositionschefin Helen Zille von der Demokratischen Allianz ihre extreme persönliche Animosität gegen Zuma. Heute bezeichnet sie bei aller Kritik an seiner Regierungsführung und Bedenken zu seiner Haltung zur Verfassung den Präsidenten als freundlich, bescheiden und zugänglich, lobt Regierungsentscheidungen und seine Ehrlichkeit bezüglich der Landesprobleme.

Mosiuoa Lekota, der Führer des Volkskongresses COPE – einer ANC-Abspaltung – meint, Zuma orientiere sich zu sehr auf die eigene Partei ANC, während Mangosuthu Buthelezi von der Inkatha-Freiheitspartei gerade seinen Umgang mit der Opposition würdigt. Sogar die kritische Patricia de Lille von den Unabhängigen Demokraten stellt Zumas »warme Führung« heraus. Wurde seinem Vorvorgänger Thabo Mbeki der Hang zur Alleinherrschaft vorgeworfen, so sieht die Opposition heute Zuma eher zu abhängig vom ANC und dessen Verbündeten in der Regierungsallianz. Bischof Desmond Tutu, gern als Gewissen der Nation zitiert, hat inzwischen sein negatives Zuma-Bild öffentlich korrigiert.

Dabei war die Konstellation beim Amtsantritt Zumas denkbar ungünstig. Seine persönliche Rechtschaffenheit war durch jahrelange Anklagen und Beschuldigungen beschädigt. Die sozialen Probleme waren extrem groß, Erwartungen an den Präsidenten entsprechend hoch. Die globale Krise bewirkte auch einen Einbruch der Wirtschaft Südafrikas, Streiks und soziale Unruhen unterstrichen den Ernst der Lage. Zuma stellte sich den Problemen und demonstrierte eine erneuerte Politik.

Kwandiwe Kondlo vom Wissenschaftlichen Forschungsrat Südafrikas bewertet die Neustrukturierung und personelle Erneuerung der Regierung positiv. Andere Beobachter sehen die Schaffung von Superministerien kritisch.

Hier wird erst die Zukunft über den Erfolg entscheiden. Aufmerksam registriert wurde die Einbindung des Führers der konservativen Freiheitsfront Plus in die Regierung. International wird Jacob Zuma allgemein respektiert.

Jacob Zuma hat es sorgfältig vermieden, sich mit seinem neuen Job im Westflügel des Union Buildings auf einem Hügel über Pretoria zu sehr vom Volk zu entfernen. Er trat in zwei Monaten häufiger vor die Presse als Mbeki in zwei Jahren. Der Präsident ging in die Townships, auch in Gebiete sozialer Unruhen, bekräftigte das Recht auf Streiks und soziale Proteste, verurteilte aber scharf damit verbundene Gewalt. Offenbar hat er den zerstrittenen ANC wieder stärker zusammengeführt. Rassistische Äußerungen radikaler schwarzer Jugendführer wies Zuma zurück. Gegenüber den kritischen Gewerkschaften betonte er die Unabhängigkeit seiner Entscheidungen als Präsident.

Die Bilanz seiner ersten 100 Tage ist positiv, geblieben sind die Hauptprobleme des Landes – Armut, gewaltige Defizite im Gesundheits- und Bildungswesen, Arbeitslosigkeit und Korruption. Um Präsident Zuma an seinen Versprechen effektiver Regierungsführung und eines funktionierenden öffentlichen Dienstes zu messen, ist es indes noch zu früh.

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