Gordon Brown in der Afghanistan-Klemme

Mehrheit der Briten fordert Truppenrückzug

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Für Gordon Brown hagelt es schlechte Nachrichten. Über 200 tote britische Soldaten, 70 Prozent der Bürger meinen, der Premier tue nicht genug für seine Truppen und fordern einen schnellen Abzug. Auch der parlamentarische Gehilfe des Verteidigungsministers ist zurückgetreten. Brown aber will die Truppe erst verstärken, um sie dann früher als geplant nach Hause holen zu können.

»Wir stehen in Afghanistan, um der dortigen Armee und der Polizei auf die Beine zu helfen«, tönte der britische Premier Gordon Brown in der vergangenen Woche. Schon 2010 sollen die Einheimischen mit 134 000 eigenen Soldaten stark genug werden, um die Taliban-Rebellen in Schach zu halten und damit auch, so heißt es jedenfalls, den islamistischen Terror von Londons Straßen fernzuhalten. Die britischen »Helfer« sollen an der Seite der Afganistan-Armee üben, essen, schlafen und kämpfen, während London nicht nur die Zentralregierung, sondern auch regionale Instanzen stärken will.

Damit haben die Soldaten in der Provinz Helmand endlich ein Ziel und einen Zeitplan vor Augen. Die bisher unklare Strategie war einer der Gründe, warum der sonst regierungstreue Major a. D. Eric Joyce als parlamentarischer Staatssekretär des Verteidigungsministers zurücktrat. Aber sind die anstrebten Ziele mit den angekündigten Mitteln zu erreichen? Die Afghanistan-Armee bekommt schon jetzt die Unterstützung von 9000 britischen Soldaten; aber nachhaltige Fortschritte lassen sich trotz aller gemeinsamen Manöver und Kämpfe nicht feststellen. Ob die geplanten 4000 weiteren Soldaten alles zum Guten wenden?

Trotz des verlustreichen britischen Einsatzes vor der Präsidentenwahl, wodurch Tausende Afghanen die Wahlurnen ungefährdet aufsuchen konnten, gaben in einem früher von der Taliban besetzten Gebiet nur 150 von 80 000 Wahlberechtigten ihre Stimme ab, Berichte von Manipulationen mit gefälschten Wahlzetteln dienten auch nicht als Anreiz, für Präsident Hamid Karsai zu sterben.

Kein Wunder, dass der Widerstand gegen den Feldzug wächst. In dieser verkehrten Welt sind es vor allem Konservative wie der frühere Außenminister Malcolm Rifkind, die die gegenwärtige Strategie einer Nibelungentreue zur USA-Regierung in Frage stellen. Der islamistische Terror sei nicht nur in Afghanistan verwurzelt, sondern auch in Pakistan, sagt Rifkind. Er werde von den dortigen Militärs im Namen der eigenen Nation bekämpft. Hingegen werden Briten, Amerikaner, Deutsche und andere als Eindringlinge betrachtet, die für den tausendfachen Mord an unbeteiligten Zivilisten verantwortlich sind. Liberalenführer Nick Clegg, die Parlamentswahl vor Augen, bläst ins gleiche Horn: Ob man sich nicht an einem Wendepunkt der Kämpfe befinde, bangt der Mann der Mitte.

Browns Plan, mehr Truppen zu schicken, um sie nach getaner Arbeit früher abziehen zu können, ist in der Tat schwer zu vermitteln. Die Presse lässt am Premier kein gutes Haar. Von rechts moniert »The Sun«, Rupert Murdochs Boulevardblatt: »Unsere braven Jungs sind von Labour verraten und verkauft«, die Regierung verwehre ihnen die Waffen, um mit den Taliban-Fanatikern aufzuräumen. Im Konservativen »Daily Telegraph« werfen ehemalige hohe Offiziere den Regierenden Ähnliches vor. Die Kollegen von der »Times« verlangen einen größeren Einsatz des deutschen Bündnispartners, der sich angeblich verdrücke. Im linksliberalen »Guardian« liest man die entgegengesetzte Kritik: Die britischen Truppen würden das Mehrheitsvolk der Paschtunen gegen ihre Helfer aufbringen. Browns Truppenverstärkungen würden die Flammen nur höher treiben.

Brown sei demnach »mit einer ernsten Hoffnung gewappnet, aber keiner Strategie«, – der bei weitem stärkste Einwand im Blätterwald. Bleibt abzuwarten, wann sich auch Konservativenchef David Cameron opportunistisch aufs Antikriegstrittbrett schwingt.

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