Rechtsprechung: Das größte Risiko beim Radeln sind die Kopfverletzungen
Urteile
45 Millionen Deutsche fahren regelmäßig Fahrrad. Das stärkt Herz und Lunge, stählt die Muskeln und hebt die Stimmung. Letzteres liegt an den Hormonen und Botenstoffen im Körper. Durch die gleichmäßige körperliche Belastung beim Radfahren wird die Produktion von Glücksstoffen auf Touren gebracht; Endorphine durchfluten den Körper. Effekt: ein wohliges Glücksgefühl.
Radfahren ist neben Schwimmen die gesündeste Sportart. Beim Radeln werden nahezu alle Muskelgruppen trainiert. Lunge und Herz werden rhythmisch belastet. Der Rhythmus macht's, er führt auch dazu, dass die Lunge sehr gleichmäßig mit Sauerstoff durchflutet wird, der dann in alle Organe strömt. Eine US-Studie zeigt: Regelmäßiges Radfahren, drei bis viermal wöchentlich, senkt das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung um bis zu 64 Prozent. Auch die Rücken und Rumpfmuskeln stehen unter Spannung und werden trainiert, die Atemmuskulatur um Brust und Rumpf zieht sich im Takt zusammen. Sogar die Handmuskeln bekommen durch die Lenkerbewegungen ihr Trainingspensum ab.
Die ersten fünf Minuten des Radelns sind Aufwärmphase, in dieser Zeit sollte man nur mit fünfzig Prozent der Leistungsfähigkeit fahren. Bloß nicht von ehrgeizigen Möchtegernsportlern antreiben lassen, raten Experten. Und: Vor dem Radeln immer einige Dehnübungen für die Beine und den Rücken machen. Danach darf auch ein Anfänger kräftig in die Pedale steigen. Wenn man einen roten Kopf bekommt und der Schweiß von der Stirn perlt, zeigt das: Dieses Training bringt auch was. Experten nennen eine Faustregel für die optimale Trainingsbelastung: Der Puls sollte bei Belastung nicht für längere Zeit, also einige Minuten, über 140 steigen. Ideal ist ein Puls von 120 pro Minute, maximal zwischen 120 und 140. Über 160-mal sollte das Herz überhaupt nicht schlagen.
Das größte Risiko beim Radeln sind schwere Kopfverletzungen. Sie sind auch für achtzig Prozent der Todesfälle von Radfahrern verantwortlich. Deshalb sollte jeder Radler unbedingt einen Helm tragen.
Aber im rechtsfreien Raum leben auch Radfahrer nicht. Im Folgenden einige interessante Urteile zum Thema Fahrradfahren.
Promillegrenze: Dass nach übermäßigem Alkoholgenuss auf die selbsttätige Autofahrt verzichtet werden sollte, weiß jeder. Stark angetrunken auf den Drahtesel umzusteigen, ist aber auch keine Lösung. Denn wird ein Radler mit einem Promillewert von 1,6 oder mehr erwischt, kann auch ihm der Führerschein entzogen werden. Ein so hoher Wert begründet laut Bundesverwaltungsgericht Zweifel an der Kraftfahrteignung. Besteht die Gefahr, dass der Radfahrer auch künftig ein Kraftfahrzeug in fahruntüchtigem Zustand führen wird, kann die Fahrerlaubnis entzogen werden (BVerwG, Az.: 3 C 32/07).
Radwege: Fußgänger versus Fahrradfahrer – gerade bei lediglich optisch voneinander abgegrenzten Geh- und Fahrradwegen ein nicht zu unterschätzendes Problem. Im vorliegenden Fall näherte sich ein Mann auf seinem Fahrrad nahe einer Bushaltestelle einer Personengruppe. Die Personen standen auf dem vom Radweg farblich abgetrennten Fußgängerweg. Ohne seine Geschwindigkeit zu reduzieren klingelte der Mann, um auf sich aufmerksam zu machen. Eine Frau aus der Gruppe machte einen unbedachten Schritt nach hinten auf den Radweg. Um einer Kollision vorzubeugen, trat der Radler in die Eisen, machte kopfüber einen Satz über den Lenker und zog sich dabei eine Kopfwunde zu. Obwohl die Fußgängerin auf den Radweg getreten ist, ist dem Radfahrer ein Mitverschulden anzulasten. Derartige Situationen begründen oftmals eine Pflicht zur Rücksichtnahme von Radfahrern auf Fußgänger. Dieser hat der Kläger nicht schon dadurch Genüge getan, dass er in einer Entfernung von zehn Metern durch klingeln auf sich aufmerksam machen wollte. Ohne erkennbare Reaktion der Fußgängerin auf dieses Klingelzeichen war er vielmehr gehalten, seine Geschwindigkeit zu reduzieren und sich bremsbereit zu verhalten (BGH VI ZR 171/07).
Helmpflicht: Wer sein Fahrrad als gewöhnliches Fortbewegungsmittel ohne sportliche Ambitionen nutzt, muss sich bei einem Unfall wegen eines fehlenden Helmes kein Mitverschulden anrechnen lassen. Im Straßenverkehr gibt es für Fahrradfahrer keine allgemein geregelte Pflicht zum Tragen eines Schutzhelmes. Eine Pflicht gibt es lediglich bei Rennradveranstaltungen, wobei es auch hier Ausnahmen gibt – z.B. während der Trainingsfahrten ist das Tragen von Schutzhelmen lediglich empfohlen. Auch während der Schlussphase einer Bergankunft müssen keine Helme getragen werden (OLG Saarbrücken 4 U 80/07 m. w. N.).
Ausflugsgebiete: Wer sich in Ausflugs- oder Wandergebiete begibt, darf sich nicht über plötzlich aufkreuzende Spaziergänger oder Radfahrer wundern. Das musste auch ein Motorradfahrer erkennen, der mit einem jählings auf die Fahrbahn einbiegenden Radfahrer zusammenstieß. Der geschädigte Motorradfahrer konnte weder Schadensersatz- noch Schmerzensgeldansprüche geltend machen. Laut einem Urteil ist die Betriebsgefahr der Motorradfahrer grundsätzlich als Verschulden gegen sich selbst zu begreifen, so dass die Unfallfolgen schon deshalb als bewusst in Kauf genommen, ganz überwiegend nicht auf einen Unfallgegner abgewälzt werden können (LG Frankfurt am Main, Az.: 2-20 O 8806/06).
Hundebesitzer: Bei einem ungeklärten Zusammenstoß zwischen einem nicht angeleinten Hund und einem Radfahrer kann dies zu Lasten des Hundeeigentümers gehen. Im konkreten Fall kam auf einem Wirtschaftsweg einer Radfahrerin ein nicht angeleinter Hirtenhund entgegen. Aus nicht genau geklärter Ursache kam die Radfahrerin zu Fall und verletzte sich. Grundsätzlich hätte die Radfahrerin vor Gericht beweisen müssen, dass der Hund für ihren Sturz ursächlich war. Aber: Begegnet ein Radfahrer auf öffentlicher Straße einem Hund, der vorschriftswidrig nicht angeleint ist, und kommt der Radler in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang zu Fall, kann ein Anscheinsbeweis dafür sprechen, dass das Verhalten des Hundes für den Sturz ursächlich war. Im konkreten Fall wurde der Hundehalter zum Ersatz des Schadens verurteilt (OLG Hamm 6 U 60/08).
Fahrradstraßen: Das Verkehrsschild enthält ein weißes Fahrrad in einem blauen Kreis. Wie schnell darf man denn in diesen Radlerstraßen fahren? Unter dem Verkehrsschild ist folgender Aufdruck angebracht: »Diese Straße ist dem Radverkehr vorbehalten. Ausnahme: Kfz-Anliegerverkehr mit mäßiger Geschwindigkeit«. Während das Amtsgericht Freiburg noch die Auffassung vertrat, dass in Fahrradstraßen maximal 50 km/h erlaubt seien, reduzierten das Oberlandesgericht Karlsruhe die Höchstgeschwindigkeit. Die Richter hatten in einer neueren Grundsatzentscheidung klargestellt, dass Autofahrer in durch gesondertes Verkehrszeichen ausgewiesenen Fahrradstraßen maximal Tempo 30 fahren dürfen (Az.: 2 Ss 24/05).
Begründung des Gerichts: Die Autofahrer hätten sich gefälligst dem Fahrradverkehr anzupassen.
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