»Romero im Herzen, Lula im Blick«

Mauricio Funes amtiert seit 100 Tagen in El Salvador

  • Tom Beier
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Abwahl der ultrarechten ARENA-Partei im März bedeutete einen Epochenbruch für El Salvador. Seit gut 100 Tagen regiert nun Mauricio Funes, der Kandidat der ehemaligen Guerilla FMLN. Mit linken Akzenten und mit Vorsicht, wozu der Putsch im Nachbarland Honduras gemahnt.

Mauricio Funes, der neue Präsident El Salvadors, spricht höchstselbst von einer 100-Tage-Unsitte: »Das ist doch niemals genügend Zeit, um einen kompletten Regierungsplan in Marsch zu setzen.« Große Sorgen braucht er sich allerdings nicht zu machen, denn die neue Regierung bekommt starken Zuspruch aus der Bevölkerung: Laut einer Studie der Technischen Universität El Salvadors sind 83,8 Prozent zufrieden mit Funes' Amtsführung. Keiner seiner erzkonservativen Vorgänger konnte dies erreichen.

Die Salvadoreños wollten und wollen den »cambio«, den Wandel. Und die Regierung hat erste Wahlversprechen wahr gemacht. Sie startete ein Programm zur Armutsbekämpfung, schaffte die Krankenhausgebühr ab und richtete ein »Komitee der sozialen Ökonomie« ein, in dem neben Unternehmern auch Vertreter der sozialen Bewegungen sitzen und die Regierung bei der Umsetzung ihrer Politik beraten.

Dabei hatte der »cambio« – gerade für die alte Linke – gar nicht so vielversprechend begonnen. Das Land war durch jahrzehntelangen schärfsten Neoliberalismus quasi »gewerkschaftsfrei«, Funes hatte im Wahlkampf ein eindeutiges Bekenntnis zum Privateigentum abgelegt und sich ohne Umschweife als Sozialdemokrat bezeichnet. Andererseits waren viele wieder angenehm überrascht, als er in seiner Antrittsrede sehr konkret wurde und Säulen eines »umfassenden Krisenplans« mit dem Bau von 25 000 Häusern, dem Aufbau eines Systems des sozialen Schutzes sowie dem Anspruch auf Basisgesundheitsversorgung nannte.

Als sich jedoch herausstellte, dass die konservative ARENA-Regierung ein riesiges Haushaltsloch hinterlassen und beispielsweise in den Ministerien für Soziales und Gesundheit 29 Phantom-Mitarbeiter beschäftigt hatte, die den Steuerzahler jährlich 700 000 US-Dollar kosteten, sank die Stimmung merklich. Die Regierung zog aus dem Korruptionsskandal ihrer politischen Gegner jedoch politischen Nutzen und setzte eine Anti-Korruptionskampagne in Gang, die ebenfalls gut ankam. Rechtfertigungsargumente der Rechten, die neue Regierung wolle nur von den wahren Problemen des Landes ablenken, verfingen nicht.

Spätestens nach dem ersten Monat des neuen Präsidenten schärfte sich dessen politisches Profil. »Romero im Herzen, Lula im Blick«, titelte ein deutscher Kommentator treffend. In der Tat ist der ehemalige Journalist Funes aus katholischem Elternhaus den sozialen Ideen des von der Rechten ermordeten salvadorianischen Erzbischofs Oscar Arnulfo Romero ebenso verbunden wie der Politik eines nationalen Ausgleichs zwischen aufgeschlossenem Unternehmertum und fortschrittlichen Bewegungen und Kräften, wie sie Lula in Brasilien praktiziert. »Wir werden nicht den Sozialismus ausrufen«, hatte Funes schon vor Amtsantritt prophezeit.

Das erweist sich angesichts der drängenden sozialen und ökonomischen Probleme in Form von jugendlicher Bandenkriminalität und Auswirkungen der Finanzkrise als realistisch. Noch gehört die Mordrate in El Salvador zu den höchsten in Lateinamerika und die Überweisungen der oft illegal in die USA geflüchteten Salvadoreños an ihre Familien sind mit dem Niedergang der USA-Ökonomie rapide zurückgegangen.

Und noch ein anderes regionales Großereignis lässt Funes vorsichtig agieren: der Putsch in Honduras. Bereits am Tag nach Manuel Zelayas Entführung drohte der Chef der ARENA-Partei Funes am Telefon: Sollte er sich weiter vorwagen, drohe ihm das Gleiche.

Der lässt vorerst die Finger von heißen Eisen wie dem Beitritt zum fortschrittlichen Staatenbündnis ALBA oder der Revision des Amnestiegesetzes, das die Militärs, die im Bürgerkrieg Massaker begangen haben, vorerst unangreifbar macht. Andererseits hat er die diplomatischen Beziehungen zu Kuba wieder aufgenommen.

Dennoch, Kritik aus dem eigenen Lager gibt es genug. Umweltschützer sind enttäuscht, dass der Staatschef das umstrittene Staudammprojekt Chaparral nicht stoppt. Böse Zungen behaupten, das liege daran, dass der Präsident der Elektrizitätsgesellschaft ihm im Wahlkampf eine Großspende habe zukommen lassen. Marxisten in der FMLN, hervorgegangen aus der Befreiungsfront Farabundo Marti, bemängeln, dass Funes die revolutionäre Demokratie in Form von Sozialisierung der Produktionsmittel nicht konsequent umsetzt.

Der Präsident muss auf der Hut sein: In 100 Tagen ist die Macht der Großgrundbesitzer und Großindustriellen nicht zu brechen und im Parlament ist die FMLN zwar die stärkste Fraktion, muss aber für qualifizierte Mehrheiten mit den rechten Parteien kooperieren. Auch der oberste Gerichtshof ist noch in deren Händen. Und so bereitet man sich in El Salvador vor auf die kommenden Kämpfe. Der Präsident aber sucht weiter den Ausgleich.

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