Die »Kleine Friedensfahrt« hält die Erinnerung wach

»Täve« Schur im ND-Interview über seinen Wahlkampf, den Schulsport, die Rad-WM und vor allem das Friedensfahrtmuseum

  • Lesedauer: 4 Min.
Gustav Adolf Schur, Jahrgang 1931, war 1959 der erste Straßenradsport-Weltmeister der DDR. Er nahm an 12 Friedensfahrten teil und wurde zweimal Einzelsieger. Neunmal wurde »Täve« zum »DDR-Sportler des Jahres« gewählt. Von 1998 bis 2002 saß er als PDS-Abgeordenter im Bundestag. Jürgen Holz unterhielt sich mit dem Vorsitzenden des Kuratoriums Course de la Paix.

ND: »Täve« Schur, Sie sind nach wie vor ein gefragter Mann und schwer zu erreichen. Was treiben Sie mit Ihren 78 Jahren denn so?
Täve: Ich stecke mitten im Wahlkampf für die LINKE, hänge Poster auf und kraxel als alter Knacker sogar noch mit der Leiter auf hohe Masten. Außerdem bin ich als Mitglied des Gemeinderates von Biederitz-Heyrothsberge in Sachen Umwelt und Verkehr viel unterwegs.

Bleibt da noch Zeit, sich aufs Rad zu setzen
Die Zeit nehme ich mir unbedingt. Mit meinem Freund Wolfgang Lichtenberg, auch ein ehemaliger Rennfahrer, fahre ich fast jedes Wochenende 60 oder 70 Kilometer. Letztes Wochenende waren es sogar 75. Noch im Oktober werden wir nach Frankreich radeln und uns auf die Spuren der Tour de France begeben. Wir werden den Mont Ventoux rauffahren bis auf den Gipfel in 1912 Meter Höhe, natürlich nicht wie die Verrückten, sondern ganz gemächlich.

Reden wir vom aktuellen Spitzenradsport. Welche Erwartungen haben Sie an die Straßen-WM nächste Woche in der Schweiz an das deutsche Abschneiden?
Die Frage bringt mich ein bisschen in Verlegenheit. Ich könnte etliche Namen nennen wie Gerald Ciolek oder Bert Grabsch, aber ich will mich nicht durch ein vorschnelles Urteil hervortun.

Dennoch nachgehakt: Gibt es genügend Nachwuchstalente?
Bei der Antwort muss ich ganz unten anfangen, beim Schulsport. Es fehlen in Deutschland 40 000 Lehrer, natürlich auch jede Menge Sportlehrer. Darunter leiden Qualität und Quantität des Sportunterrichts. Pro Woche drei Stunden Schulsport steht vielfach nur auf dem Papier. Der frühere DSB-Präsident von Richthofen hat mal treffend gesagt: »Der Sport darf nicht zum Reparaturstützpunkt gesellschaftlicher Fehlleistungen werden.« Aber genau das ist schon seit Langem der Fall. Die Mängel im Schulsport erschweren natürlich den vernünftigen Übergang zum organisierten Sport in den Vereinen. Das gilt für den Radsport ebenso wie für andere Sportarten.

Sehen Sie Schwarz für die Zukunft des Radsports?
Nein, auch wenn Doping immer wieder lange Schatten wirft. Wenn ich mich so umschaue und auch vom Fahrradladen meines Jungen Gus-Erik ausgehe, so ist die Lust am Radfahren ungebrochen.

Aber zunehmend sterben traditionelle Radsportveranstaltungen. Auch die Friedensfahrt ist davon betroffen.
Ja, was die Friedensfahrt anbetrifft, gibt es die Bemühungen, sie wenigstens durch das Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen in Sachsen-Anhalt am Leben zu erhalten. Und seitens des tschechischen Radsportverbandes gibt es eine Jugend-Friedensfahrt, so dass auch von daher der Name »Friedenfahrt« nicht total untergeht.

Glauben Sie an eine Rückkehr der Fahrt auf deutsche Straßen?
Das wäre mein Wunsch als Vorsitzender des Kuratoriums Course de la Paix. Aber die Sache steht und fällt mit Sponsoren. Die haben wir nicht mehr. Skoda unterstützt heute die Tour de France. Für die Friedensfahrt ist hingegen Fehlanzeige. Es gibt auch keine Signale, dass sich daran kurzfristig etwas ändert.

Aber dennoch gibt es keine Friedensfahrt-Funkstille?
Nein, überhaupt nicht. Die Fahrt lebt weiter durch das Friedensfahrtmuseum, und die Erinnerung daran wird durch die »Kleine Friedensfahrt« wach gehalten. Sie ist in den neuen Bundesländern nach wie vor populär. An die zehn dieser Nachwuchsrennen fanden dieses Jahr statt. Ich war bei einigen dabei – zuletzt in Bennewitz bei Wurzen – und war angetan von der tollen Begeisterung. Am 1. Mai waren in Elsterwerda über 200 Vor- und Grundschulkinder auf verschiedenen Strecken am Start. Jahr für Jahr wird die »Kleine Friedensfahrt« auch im früheren Landkreis Schönebeck organisiert.

Stichwort Friedensfahrtmuseum: Das steckt in einer finanziellen Klemme. Wie können die Freunde der Fahrt da helfen?
Um es direkt zu sagen: Es werden Spenden gebraucht. Das von Horst Schäfer ehrenamtlich geleitete Museum ist vor allem durch Spendenbeiträge am Leben zu erhalten. Erfreulich ist, dass nach wie vor Reisebusse das Museum in Kleinmühlingen ansteuern. Erst vor ein paar Tagen hat mich ein Friedensfahrtfan aus Lichtenstein in Sachsen angerufen, der Ende Oktober mit 31 Leuten das Museum besichtigen und sich mit Spenden beteiligen will. Am 14. November gibt es ein Tour-Treffen mit Teilnehmern der touristischen Tour de France und Friedensfahrt.

Engagieren sich auch frühere Helden der Friedensfahrt wie Adler, Ampler, Ludwig oder Barth?
Es gibt viele, die sich einbringen. Für nächstes Jahr, am 29. Mai 2010, haben wir ein großes Treffen in Kleinmühlingen geplant mit einstige Größen wie Hannes Schober, Bernhard Eckstein, Olaf Ludwig, Detlef Zabel, Uwe Raab, Uwe Ampel, Egon Adler, Thomas Barth oder Jens Voigt, der für den Erhalt des Museums gespendet hat. Sie werden auch Friedensfahrt-Erinnerungsstücke mitbringen, die dann ins Museum kommen.

Was wünscht sich der Präsident des Friedensfahrt-Kuratoriums?
Dass durch viele Besucher und rege Spenden das Museum erhalten und qualitativ weiter ausgebaut werden kann. Und dass wir es schaffen, eines Tages frei zu sein von finanziellen Belastungen.


Das Friedensfahrtmuseum lebt
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Radsportmuseum
Course de la Paix
Kleinmühlingen (Sachsen-Anhalt)
Sparkasse Elbe-Saale
Kontonummer 381 133 850
Bankleitzahl 800 555 00

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