Nach der Wahl drohen harte Zeiten
Wirtschaftsminister Guttenberg sieht »schwere Jahre« kommen – und will Steuern senken
Am Sonntagabend hieß es in der ARD: Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) gegen Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). In der Sendung von Anne Will duellierten sich die Minister mit Zahlen und rechneten sich gegenseitig vor, warum die von der Union für die neue Legislaturperiode versprochenen Steuererleichterungen funktionieren oder eben nicht. Zahlen und Fachbegriffe – wie die berühmt-berüchtigte »kalte Progression« – suggerieren Kompetenz, lautet eine Regel der Gesprächsführung. Eine andere Politiker-Weisheit: Nenne niemals vor den Wahlen die Grausamkeiten beim Namen, die du dem Wahlvolk danach antun wirst.
Auch daran hielten sich die Minister. Dass es solche Grausamkeiten geben wird, kündigten beide zwar an, nur verpackt in wenig schmerzhaft klingende Allgemeinplätze. Angesichts der wirtschaftlichen Lage »läuft es auf eine erheblich schwierigere Lage auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite hinaus«, sagte Steinbrück. Guttenberg gab den »Wir müssen den Gürtel enger schnallen«-Ludwig Erhard: »Es werden schwierige Jahre werden, es werden Jahre werden, wo auch Verzicht dringend geboten sein muss, wo dringend gespart werden muss und wo manches Liebgewonnene auf den Prüfstand gestellt werden muss.«
Was konkret nun Guttenbergs »manches Liebgewonnene« nach der Wahl zu bedeuten hat und wen es trifft, sagte er zwar nicht. Es lässt sich aber einfach aus den trotz der schwierigen Zeiten geplanten Steuersenkungen ableiten. Bei Anne Will sprach Guttenberg von Erleichterungen für »Leistungsträger« und am Montag stellte die CSU ihr 100-Tage-Sofortprogramm für den Fall einer schwarz-gelben Koalition vor. So soll etwa die Einkommensteuer in zwei Schritten 2011 und 2012 sinken, für Hotels, Gaststätten und arbeitsintensive Dienstleistungen soll der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gelten und die Unternehmensteuer soll korrigiert werden.
Nachdem Wohltaten nach der Wahl an ohnehin schon besser gestellte »Leistungsträger« und die Wirtschaft verteilt werden, bleiben für den »Verzicht« und das »Sparen« im Umkehrschluss nur noch die aus CSU-Sicht Nicht-Leistungsträger, wie Empfänger von Sozialleistungen. Auch Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine warnt vor diesem Szenario und hält die angekündigten Einschnitte für völlig ungerechtfertigt. »Die Beschäftigten, Rentner und Empfänger sozialer Leistungen haben bereits vor der Krise tiefe Einschnitte in ihren Einkommen hinnehmen müssen.« Profitiert hätten davon die großen Konzerne und Vermögenden, so Lafontaine, »von denen nicht wenige durch kopflose Spekulation die Finanzkrise mit verschuldet haben«. Zur Kasse gebeten werden müssten daher die großen Unternehmen, Börsenspekulanten und Vermögenden. Die Kanzlerin und ihren SPD-Herausforderer fordert Lafontaine auf, den Wählern zu sagen, was auf sie zukommt: »Merkel und Steinmeier müssen jetzt, noch vor der Wahl, die von ihren Parteikollegen angedeuteten Einschnitte für die Menschen konkretisieren, damit die Bürger wissen, welche Politik sie wählen.«
Dazu war von der Kanzlerin am Montag nichts zu hören. Aber immerhin wiederholte Merkel, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nach der Bundestagswahl ausgeschlossen ist. Zur CSU-Forderung nach Ausweitung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes sagte sie: »Das steht unter einem Finanzierungsvorbehalt.« Zunächst müsse etwas gegen die sogenannte kalte Progression getan werden, damit die Bürger bei einer Lohnerhöhung auch mehr Geld im Portemonnaie haben. Mit Fachwörtern Kompetenz vortäuschen und die Nachwahl-Grausamkeiten verschweigen, kann die Kanzlerin offensichtlich ebenso gut wie ihre Minister.
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