Warnung vor der »Onda dell'Occidente«

Im Ausland weiß man nicht so recht, was man von einem möglichen Außenminister Westerwelle erwarten darf

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Angela Merkel sprach es schon aus, bevor die Koalitionsverhandlungen überhaupt begonnen haben: Wenn die neue Bundesregierung gebildet sei, werde »nach menschlichem Ermessen« ein FDP-Politiker Nachfolger von Außenminister Steinmeier. Einer bereitet sich darauf seit langem vor – Guido Westerwelle, für das Ausland vor allem eine unbekannte Größe.

Das offizielle Israel zeigte sich gestern begeistert über die Wiederwahl von Angela Merkel und hofft mit »großem Optimismus«, dass »die guten Zeiten« in den bilateralen Beziehungen nicht nur andauern, sondern »sogar noch besser werden«, wie es Außenamtssprecher Jossi Levi formulierte. Dagegen trifft die mögliche Ernennung von FDP-Chef Westerwelle zum Außenminister auf »Stirnrunzeln«, schreibt die »Jerusalem Post« und erinnert an die einstige »antisemitische Wahltaktik« des FDP-Politikers Jürgen Möllemann. Heute hielten israelische Regierungskreise die Liberalen vor allem wegen ihrer Haltung zu Sanktionen im Atomstreit mit Iran für »problematisch«.

Ganz anders in der Türkei. Schwarz-Gelb mache die Lage »schwieriger«, glaubt Suat Kiniklioglu, ein führender Außenpolitiker der regierenden AKP in der Dienstag-Ausgabe der »Today's Zaman«. Denn während die SPD die EU-Kandidatur der Türkei unterstützt, favorisiert die CDU eine »privilegierte Partnerschaft« unterhalb der Beitrittsschwelle. Da wird der neue Koalitionspartner sogar zum Hoffnungsträger, habe die FDP doch eine wohlwollendere Haltung zu den türkischen Ambitionen.

So sind die Einschätzungen des deutschen Wahlergebnisses im Ausland natürlich vor allem von den jeweiligen nationalen Interessen diktiert. In Moskau etwa hätte man deshalb lieber eine erfolgreichere SPD als Garanten guter Beziehungen am Regierungstisch gesehen. Der FDP-Chef trifft nicht nur wegen seiner Kritik an der mangelnden Rechtsstaatlichkeit Russlands auf Misstrauen. Mit seinen Vorwürfen in Sachen Opel (»Ich kann überhaupt nichts davon halten, dass wir mit unseren deutschen Steuermilliarden in Wahrheit Russland technologische Entwicklungshilfe geben«) hat er sich ebenfalls keine Freunde gemacht. Und auch mit dem russischen Gasriesen Gazprom habe er es wohl nicht so, meinte der Moskauer »Kommersant« gestern. Die Zeitung, die wie auch britische Blätter die »homosexuelle Orientierung« Westerwelles für bemerkenswert hält, sorgt sich zugleich um seine mangelnde »Erfahrung in der diplomatischen Arbeit«.

Nicht wenige Kommentatoren sind unsicher, was sie von dieser »Onda dell'Occidente«, wie die Turiner Tageszeitung »La Stampa« den Namen übersetzt, außenpolitisch erwarten dürfen. Als undiplomatischer Tsunami hat sich Westerwelle schon am Tag eins nach der Wahl auf den britischen Inseln einen Namen gemacht, als er auf seiner Pressekonferenz einen englisch fragenden BBC-Reporter pampig nach dem Motto abfahren ließ: Man spricht Deutsch! Nicht, dass man in London mangelhafte Sprachkenntnisse vermutet, der »Independent« brachte es auf einen politischen Punkt: Das Ganze sei der »Vorgeschmack auf ein neues teutonisches Selbstbewusstsein in internationalen Angelegenheiten«. Auch die Pariser Tageszeitung »Le Monde« ist besorgt über den Rechtsruck in Berlin und sieht Bundeskanzlerin Merkel unter dem Druck ihrer neuen liberalen Verbündeten. Die FDP sei »längst nicht mehr die proeuropäische Partei des ewigen Außenministers Genscher«. Sie opponiere gegen die EU-Landwirtschaftspolitik, wolle weder eine Industriepolitik noch Klimaschutz-Verpflichtungen, die die deutsche Wirtschaft einschränken könnten. Merkel werde zeigen müssen, dass die größte Wirtschaftsmacht der EU »auch europäisch denken kann und will«.

Westerwelle hat sich schon im Mai vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in einer »Bewerbungsrede« für das Amt des Außenministers bemüht, die Fähigkeit zu Kompromissen und den Verzicht auf nationale Alleingänge in der EU hervorzuheben. Zugleich beschwor er den Schulterschluss mit den USA und beklagte, dass die Große Koalition die Chance vertan habe, den Prozess der Neuausrichtung der Washingtoner Außenpolitik unter Obama stärker zu beeinflussen. Er plädiert für einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Einen sofortigen Truppenabzug aus Afghanistan werde es dagegen auch mit ihm nicht geben.

Im Nahost-Konflikt wirbt die FDP seit langem für einen regionalen Ansatz nach dem Vorbild des KSZE-Prozesses. Das Prinzip der Nichteinmischung müsse dort seine Grenzen finden, wo universelle Menschenrechte systematisch verletzt werden. Die Liberalen selbst wenden es allerdings seltsam selektiv an: Während ihre Friedrich-Naumann-Stiftung intensive Beziehungen zu den Regierungsgegnern in Bolivien und Venezuela unterhält, nahm man die Putschisten in Honduras gleichsam in Schutz.

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