Schutzschirm für Flüchtlingsrechte

Amnesty: Forderungskatalog an Schwarz-Gelb

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Noch bevor die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnimmt, formulierten »Pro Asyl« und »Amnesty International« am Mittwoch in Berlin ihre Forderungen für eine künftige Flüchtlingspolitik. Grundtenor: Mehr Humanität.

»Ein Neuanfang in der Flüchtlingspolitik ist notwendig. Wir wollen, dass ein Schutzschirm für Flüchtlingsrechte in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgenommen wird«, fordert Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Flüchtlingsinitiative »Pro Asyl«, gemeinsam mit Wolfgang Grenz, Abteilungsleiter von »Amnesty International«, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Die Situation vieler Flüchtlinge in der Bundesrepublik ist katastrophal. »Etwa 80 000 von ihnen leben in Lagern. Diese Abschottung ist menschenunwürdig und muss beendet werden«, so der Geschäftsführer von »Pro Asyl«. Circa 100 000 Flüchtlinge werden hierzulande geduldet. Eine Duldung bedeutet, dass die Abschiebung, meist wegen unsicherer Lage in den Heimatländern, vorerst ausgesetzt wird. Duldungen gelten nur für kurze Zeit und müssen regelmäßig verlängert werden. Die Betroffenen leben in ständiger Angst vor der drohenden Abschiebung. Bisher haben 28 000 seit Jahren in Deutschland lebende Flüchtlinge, durch die sogenannte Altfallregelung aus dem Jahr 2007, ein »Bleiberecht auf Probe« erhalten. Wenn sie bis Jahresende ihren Lebensunterhalt nicht selbstständig bestreiten können, droht ihnen der Rückfall in die »Kettenduldung«. Die Initiativen verlangen die Abschaffung der »Kettenduldung« und ein Aufenthaltsrecht für alle Flüchtlinge, die sich seit Jahren in Deutschland aufhalten.

Nicht nur in Deutschland ist die Lage der Flüchtlinge prekär. Immer weniger Verfolgten gelingt es, EU-Gebiet zu erreichen. Wolfgang Grenz moniert widerrechtliche Maßnahmen gegen Flüchtlinge, vor allem auf dem Mittelmeer. Dort werden Migranten in nordafrikanische Staaten zurückgeschickt, auch wenn sie Hoheitsgewässer eines EU-Staates erreichen, in denen sie das Recht auf einen Asylantrag haben. »Das Meer ist kein rechtsfreier Raum. Die gängige Praxis der Zurückschiebungen ist menschenrechtswidrig«, erklärt Grenz. Die nordafrikanischen Staaten wären zudem keine sicheren Drittstaaten. »Verlässliche Quellen belegen, dass Flüchtlinge in Libyen misshandelt und in der Wüste ausgesetzt werden«, berichtet Grenz.

Für den Grenzschutz der EU ist die Agentur »Frontex« zuständig. Die Agentur solle entweder abgeschafft oder den politischen Organen der EU direkt unterstellt werden, so die Vertreter der Initiativen. Deutschland müsse sich zudem gemeinsam mit allen EU-Staaten bereiterklären, mehr Bürgerkriegsflüchtlinge als bisher aufzunehmen. »Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung 2500 Flüchtlinge aus Irak aufnimmt. Dies kann aber nur ein Anfang sein«, so Burkhardt.

Die Flüchtlingsorganisationen hoffen auf Umsetzung ihrer Anliegen durch die neue Bundesregierung. Auf den bisherigen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) werden sie dabei sicherlich nicht zählen können. Schäuble hatte sich in den vergangenen Jahren mit den Staaten der Afrikanischen Union (AU) über eine afrikanisch-europäische Kooperation gegen »ungewollte Zuwanderung« aus dem Raum der Sub-Sahara verständigt. Bei der FDP jedoch glauben die Aktivisten, einen Hoffnungsschimmer erkannt zu haben. »Die Liberalen sind eine Bürgerrechtspartei und in ihrem Programm gibt es Ansätze für eine humanere Flüchtlingspolitik«, setzt Burkhardt seine Hoffnung auf den kleinen Koalitionspartner der Union.

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