Japan wartet auf Hatoyamas Revolution
Erste Zweifel am neuen Regierungschef
Nach der historischen Machtübernahme der oppositionellen Demokraten sollte in Japan kein Stein auf dem anderen bleiben. Der neue Regierungschef Hatoyama versprach, die verkalkte Bürokratie zu reformieren und den Ausgabenwahn zu stoppen, der Staat werde wieder soziale Verantwortung übernehmen und gegenüber der alten Schutzmacht USA einen eigenen, selbstbewussten Weg einschlagen. Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung und beim ersten Treffen mit USA-Präsident Barack Obama hätte Hatoyama gleich Nägel mit Köpfen machen können. Doch dem war nicht so.
Hatoyama sprach vor der UNO – wenn auch etwas holperig – Englisch, um Japans Internationalität zu bekräftigen. Es sei »eine Brücke zwischen Ost und West«. Zudem versicherte Hatoyama, man wolle den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 25 Prozent auf den Stand von 1990 senken. Sein Vorgänger Taro Aso hatte noch von einer 15-Prozent-Senkung gesprochen, weil jedes Prozent mehr der Wirtschaft schaden würde. Doch ansonsten scheute Hatoyama die Konfrontation. Und auch beim Treffen mit Obama war in Sachen japanischer Selbstständigkeit nichts mehr von der Angriffslust des Wahlkampfs zu spüren. An der US-amerikanisch-japanischen Allianz werde nicht gerüttelt, und auch Japans umstrittenes Programm zur Versorgung der NATO-Streitkräfte in Afghanistan stellt Hatoyama – vorerst – nicht in Frage. Einzig beim seit Jahrzehnten von betroffenen Bewohnern geforderten Abzug der auf Okinawa stationierten USA-Truppen signalisierte der Premier, Japan könnte sich über ein bilaterales Abkommen hinwegsetzen, das den Verbündeten den Verbleib in der Präfektur Okinawa garantiert.
In Japan werden deshalb bereits erste Zweifel an Hatoyama laut, verstehen doch viele nicht, weshalb er den Streitpunkten in Übersee dermaßen artig aus dem Weg gegangen ist. Zwar entspricht es japanischer Umgangsform, den offenen Konflikt zu meiden und lästige Sachfragen Untergebenen zu überlassen. Aber Hatoyamas politische Flitterwochen scheinen bereits vorüber, noch bevor sie richtig begonnen haben. Andere halten dem Premier zugute, dass die Demokraten in Regierungsfragen, zumal in außenpolitischen, völlig unerfahren seien und erst ein Gespür für all die Gesprächspartner und Themen entwickeln müssten, bevor sie wichtige Entscheidungen treffen können. Deshalb sei Hatoyama vorerst mehr am Aufbau von Vertrauen interessiert, was den gewieften Diplomaten schließlich auch auszeichne.
Doch so groß seine Versprechen im Wahlkampf waren, so hoch sind jetzt auch die Erwartungen im Volk, das sich in einer Mischung aus Aufbruchstimmung und Unbehagen schon auf eine kleine Revolution in der japanischer Politik gefasst gemacht hatte. Hatoyama aber scheint letztlich von ähnlichem Schlag wie seine Vorgänger zu sein. In seiner Rede vor der UNO erinnerte er übrigens daran, dass Japan unter seinem Großvater, damals Premier, 1956 den Vereinten Nationen beigetreten sei. Jener Großvater war auch Gründungsmitglied der bei den jüngsten Wahlen so vernichtend geschlagenen Liberaldemokraten, die Japan in der Nachkriegszeit fast ununterbrochen regierten. Es bleibt abzuwarten, ob mit seinem Enkel doch nicht alles beim Alten bleibt.
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