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Hetzjagd auf Gordon Brown

Britischer Premier wird von links und rechts angefeindet

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor zwei Jahren trat Gordon Brown sein Amt als Premierminister an – als strahlender Sieger, Weltökonom, als Weiser aus Kirkcaldy. Heute erinnert er Kunstliebhaber an ein berühmtes Bild des viktorianischen Zeitalters, Edwin Landseers »Gestellten Hirsch«: hinter sich das Wasser, vor sich die Verfolger.

An der Spitze der Hetzjagd steht der Führer der Konservativen, David Cameron. Browns energischer Gegenspieler verströmt nicht den Mief seiner Vorgänger und gibt sich trotz Schulzeit an der Eliteschmiede Eton als Mann des Volkes, während der Premier oft abgehoben wirkt. Die Presse fängt an, über Browns Augenleiden unverschämte Witze zu reißen – er verlor als Kind bei einem Sportunfall ein Auge, das zweite ist angegriffen. Die halbe Labour-Fraktion, die nach neuesten Umfragen bei der Parlamentswahl 2010 vor dem Mandatsverlust steht, sehnt sich danach, dass ihr Chef dies als Grund zur Demission nimmt. Doch Pfarrersohn Brown würde dies als Fahnenflucht betrachten.

Schlechte Nachrichten auch aus Browns schottischer Heimat. Die nach Unabhängigkeit strebenden Nationalisten der SNP, die gerade ihren Parteitag in Inverness durchführten, weiden sich am Gedanken einer möglichen Pattsituation in London. Trotz ihrer Position links der Mitte – so opponiert die SNP gegen die Modernisierung der in schottischen Gewässern stationierten »Trident«-Atom U-Boote – will sich deren Führer Alex Salmond jedem Möchtegern-Premier ohne eigene Mehrheit meistbietend verkaufen, Cameron genauso wie Salmonds Landsmann Brown. Mehr Geld für Schottland, heißt die erpresserische Devise des SNP-Chefs. Dabei bekommen die Bürger im Norden von der Regierung schon jetzt mehr pro Nase als die Durchschnittsengländer. Die Nach-wahl Mitte November im Wahlkreis Glasgow Nordost, bisher vom entlassenen Parlamentspräsidenten Michael Martin gehalten, sieht nach einer weiteren Labour-Schlappe aus.

Zu triumphierenden Tories und schadenfrohen Schotten gesellen sich, zumindest aus Browns Sicht, garstige Gewerkschafter: die Union of Communication Workers droht mit einem Poststreik bei der staatseigenen Royal Mail. Billy Hayes, linker Führer der Gewerkschaft, hat gerade das Votum seiner Mitglieder für den Streik erhalten. Hayes wähnte sich in einem Fernsehinterview gar in einer stärkeren Lage als der Bergarbeiterchef Arthur Scargill 1984. Dass Scargill seinen Arbeitskampf nicht gegen einen Labour-Premier führte, sondern gegen die rabiate Rechte Margaret Thatcher; dass er den Kampf verlor und dass es deswegen keine 5000 Bergarbeiter mehr im Lande gibt – diese Lehren hat Hayes noch nicht gezogen. Ein unfähiges Management-Team bei Royal Mail, das statt zu verhandeln tausende neue Streikbrecher einstellen will, lässt die Briten ihre Weihnachtskarten schon jetzt abschicken.

So wie es vier Apokalyptische Reiter gab, steht auch Brown vor einer vierten Gefahr. Pünktlich zur Rückkehr der Abgeordneten aus dem Urlaub meldete sich der vom Premier bestellte Untersuchungsbeamte Sir Thomas Legg mit Mahnbriefen an etwa die Hälfte aller Parlamentarier, unerlaubte Spesen zurückzuzahlen. Brown selbst, aber auch Cameron und Liberalenchef Nick Clegg müssen zahlen. Die Bürger murren gegen ihre raffgierigen Vertreter, diese machen den tapsigen Aufklärer Brown für ihr Missgeschick verantwortlich. Damit bleibt die vom stockkonservativen »Daily Telegraph« aufgeputschte Stimmung gegen die »Absahner« bestehen. Zwar befinden sich diese in allen Fraktionen, aber Volkes Wut richtet sich erfahrungsgemäß gegen die Regierenden.

Noch wehrt sich Brown. Auf dem Landseer-Bild röhrt der Hirsch aus Leibeskräften. Doch die Jäger legen an zum Schuss.

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