Merkel sieht 2010 »extrem ernste Monate«
Bei neuer Rekordverschuldung soll Schattenhaushalt die Schuldenbremse retten
Berlin (dpa/ND). Wegen massiver Finanznöte deutet sich ein milliardenschweres Sondervermögen – eine Art Nebenhaushalt – zur Finanzierung krisenbedingter Kosten an. Kanzlerin Merkel sprach am Dienstag in einer Sitzung der Unionsfraktion nach Teilnehmerangaben bereits von einer solchen Option. Nach dpa-Informationen soll vor allem der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung bei 3,0 Prozent gedeckelt werden, um neue Belastungen für die krisengeplagte Wirtschaft zu vermeiden. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 2,8 Prozent.
Die Union wies Vorwürfe zurück, die schwarz-gelbe Koalition wolle mit Buchungstricks Steuersenkungen finanzieren und mit einem Schattenhaushalt die Schuldenregel im Grundgesetz umgehen. »Hier geht es nicht um Verschleierung«, sagte CDU-Finanzexperte Steffen Kampeter. FDP-Finanzpolitiker Hermann Otto Solms verteidigte den Vorschlag. »Es geht darum, die Verantwortung der alten Regierung sauber abzugrenzen«, sagte Solms bei einer Sitzung von Fraktion und Vorstand. »Wir hätten gerne den Haushalt möglichst besenrein übernommen.« Die Linksfraktionsvize im Bundestag, Gesine Lötzsch, kritisierte das Vorhaben scharf und sprach von »Steuerpoker mit gezinkten Karten«, weil für die »Steuersenkungen auf Pump« ein dritter Nachtragsetat nötig werde.
Merkel sagte vor der Unionsfraktion nach Teilnehmerangaben, es könne »extrem ernste Monate« Anfang des kommenden Jahres geben. Trotz optimistischer Wachstumsprognosen könne die Zahl der Arbeitslosen deutlich steigen. Dazu könnten massive Steuermindereinnahmen kommen. Merkel kündigte ein Gesetz zur Beschleunigung des Wachstums an. Die Wachstumskräfte sollten gestärkt werden, ohne die Schuldenbremse dabei außer Acht zu lassen. Diese, so Merkel, sei am Anfang schwierig einzuhalten. Deshalb werde es auch große Sparanstrengungen geben müssen.
Union und FDP erwägen, im kommenden Jahr anfallende Milliardenausgaben für die Sozialkassen vorzuziehen und einen dritten Nachtragsetat für 2009 vorzulegen. Damit sollen Spielräume geschaffen werden. Über einen Sonderetat könnten Löcher bei der Bundesanstalt für Arbeit (BA) und gegebenenfalls auch beim Gesundheitsfonds gestopft werden. Die BA braucht 2010 vom Bund ein Darlehen von bis zu 20 Milliarden Euro.
CDU-Länderchefs drohen mit Blockade
Unter den CDU-Ministerpräsidenten wächst derweil der Unmut über den Steuer-Kurs der FDP. Wegen neuer Defizite in den Länderkassen drohen CDU-Länderchefs mit einer Blockade im Bundesrat. Merkel erklärte in der Fraktionssitzung, dass sie keine Entscheidungen treffen wolle, die gegen die Länder gerichtet seien. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) sagte: »Die FDP hat vor der Wahl sehr hohe Erwartungen geweckt und tut sich jetzt schwer, diese zu realisieren.« FDP-Generalsekretär Dirk Niebel warnte Oettinger dagegen vor einer »Angsthasen-Politik«. CDU und CSU haben ein Entlastungsvolumen von 20 Milliarden Euro bis 2013 angeboten, die FDP fordert 35 Milliarden Euro. CSU-Chef Horst Seehofer sprach vor der CSU-Landesgruppe vom Jahr 2011. Ein früherer Zeitpunkt gilt unionsintern als möglich.
Die Spitzen von Union und FDP werden ihre Schlussberatungen auf Grundlage eines ersten Entwurfs des Koalitionsvertrags an diesem Mittwoch aufnehmen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) stellte CDU und CSU darauf ein, dass die Beratungen möglicherweise bis zum Samstag dauern könnten. Neben der noch offenen Höhe der Steuerentlastungen gibt es weiterhin starke Differenzen in der Gesundheitspolitik. Die Personalien stehen zum Schluss an.
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