Autofahren mit Atomkraft
Frankreich will bei Elektroautos weltweit Vorreiter werden
Ob kochen, kühlen oder fernsehen – in Frankreich funktioniert dies meist mit Atomstrom vom Monopolisten EDF. Jetzt will Präsident Nicolas Sarkozy die Kernkraft auch auf die Straße bringen – mit einer Elektroauto-Initiative. Wie einst beim Hochgeschwindigkeitszug TGV will Paris das stromgetriebene Fahrzeug zur nationalen Aufgabe erklären. Nicht nur AKW-Gegner haben Bedenken.
Elektroautos sollen künftig in Frankreich einen deutlichen Beitrag zum Ziel leisten, die CO2-Emissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 um 75 Prozent zu senken. Mit seinem Strommix aus fast 80 Prozent Atomkraft und nur 20 Prozent aus anderen Quellen sieht sich das Land als idealer Ort für die batteriegetriebenen Fahrzeuge. Nach Berechnungen der Umweltagentur Ademe könnten diese unter dem Strich nur auf 20 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer kommen – deutlich weniger als in anderen EU-Ländern wie Deutschland mit einem hohen Anteil an Kohle bei der Stromerzeugung.
Gleichzeitig soll mit der Initiative auch die gebeutelte französische Autoindustrie auf Vordermann gebracht werden. Es gelte, »eine der wichtigsten Schlachten der weltweiten Industrie« zu schlagen, kündigte Umweltminister Jean-Louis Borloo an. Frankreich müsse »zum weltweiten Marktführer« in Sachen Elektroautos werden. Dazu sollen Autobauer, Stromerzeuger und Großkonzerne mit dem Staat an einem Strang ziehen. »Kein Akteur kann das Risiko alleine tragen, aber wenn alle es zur gleichen Zeit machen, wird es funktionieren«, ist sich Borloo sicher. Bis 2015 soll ein landesweites System mit einer Million Ladestationen aufgebaut werden, 90 Prozent davon in Privatgebäuden und Unternehmen. 1,5 Milliarden Euro will Paris in die Infrastruktur für die E-Revolution stecken.
Angesichts der anfangs hohen Preise für Elektroautos schafft der Staat die Nachfrage erst einmal selbst. Behörden, Kommunen und Staatskonzerne sollen bis 2015 rund 100 000 Elektrofahrzeuge kaufen. Um auch Privatleute zu begeistern, verlängert Paris die Laufzeit seiner »Super-Umweltprämie« von 5000 Euro pro Fahrzeug, wenn dieses weniger als 60 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt. Und mehrere hundert Millionen macht der Staat locker, um den Bau von Batterie- und Elektroautofabriken zu fördern.
Frankreichs Autobauer sind ob solcher Rückendeckung begeistert. Renault will ab 2011 vier verschiedene Elektroautos herausbringen. PSA Peugeot Citroën plant, mit Hilfe des japanischen Partners Mitsubishi den Kleinwagen Ion schon im Oktober 2010 auszuliefern. Noch schneller will der Newcomer Vincent Bolloré sein: Sein BlueCar soll im Juni in Frankreich starten.
Atomkraftgegnern sind die Elektroauto-Pläne indes ein Graus. Dies sei »keine umweltfreundliche Option«, kritisiert die Organisation Sortir du nucléaire. Nicht nur, dass der massenhafte Einsatz weiteren Atommüll anfallen lassen werde, es würden anders als behauptet auch große Mengen CO2 ausgestoßen.
Tatsächlich ist die Rechnung der Umweltbehörde mit Unsicherheiten behaftet. »Wenn die Haushalte ihre Fahrzeuge alle um 19 Uhr anschließen, ist das eine echte Katastrophe«, sagt Ademe-Experte Eric Vidalenc. Dann müssten Kohle- oder Gaskraftwerke zugeschaltet werden, was die CO2-Bilanz deutlich verschlechtern würde. Noch schlimmer sei es, wenn Schnellladestationen benutzt würden, weil die Netzkapazität dann schnell an ihre Grenzen stoße und gar Strom aus dem Ausland zugekauft werden müsse.
Ferner warnt die Behörde die Autobauer davor, in der Euphorie jetzt »einfach nur irgendwelche Elektroautos zu bauen«. Es gebe sehr große Unterschiede beim Strombedarf, sagt Vidalenc. »Nötig sind Elektrofahrzeuge, die so wenig wie möglich verbrauchen.«
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