Investitionsstau

  • Robert Kurz
  • Lesedauer: 3 Min.
»Bei dem prognostizierten Wachstum im Ein-Prozent-Bereich bestehen also weiter gewaltige industrielle Überkapazitäten.«
»Bei dem prognostizierten Wachstum im Ein-Prozent-Bereich bestehen also weiter gewaltige industrielle Überkapazitäten.«

Das Prinzip Hoffnung regiert nicht nur in Berlin. Der größte Einbruch der Weltwirtschaft in der Nachkriegsgeschichte soll auch der kürzeste gewesen sein. Als Licht am Ende des Tunnels gelten positive Zahlen im Promillebereich für das Sommerquartal, die schon wieder hochgerechnet werden. Zwar bleibt im laufenden Jahr unterm Strich hierzulande ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von fünf Prozent. Aber der scharfe Rückgang, so heißt es, sei zum Stehen gekommen. Für 2010 erwarten die Wirtschaftsinstitute wieder ein Wachstum von einem Prozent. Auf der neuen, tieferen Ausgangsbasis wäre das aber nur eine stagnative Entwicklung, noch dazu belastet von faulen Bank- und Unternehmensbilanzen sowie explodierenden Staatsschulden. Wenn der berühmte selbsttragende Aufschwung längerfristig aus der Stagnation mit drohenden Rückschlägen herausführen soll, gibt es dafür einen zentralen Indikator – das steigende Investitionsvolumen. Davon ist bis jetzt wenig die Rede.

Bekanntlich wurde der Absturz zunächst durch staatliche Konjunkturprogramme aufgefangen. Ein erheblicher Teil davon floss in die Stimulation des Konsums, wofür zentral die inzwischen ausgelaufene Abwrackprämie steht. Staatliche Investitionen im Zuge der Konjunkturprogramme gehen in den Ausbau der Infrastrukturen (Straßen, Schulhausrenovierung etc.). Das hilft der Bauindustrie und Teilen des Handwerks, aber zusätzliche Investitionen hier sind kaum zu erwarten. Dafür ist das Volumen der Konjunkturprogramme zu klein; es kann leicht mit den während des Immobilienbooms und der vergangenen Defizitkonjunkturen aufgebauten Kapazitäten bedient werden. Gesamtwirtschaftlich handelt es sich bei der Mobilisierung dieser Kapazitäten überdies um Staatskonsum, der nicht aus laufenden Einnahmen gedeckt ist, sondern eben auf zusätzlichen Schulden beruht, die mittelfristig die Konjunktur eher belasten.

Es hängt also alles davon ab, ob ein autonomer Investitionsschub bei den Konzernen und auf breiterer Front bei den mittelständischen Unternehmen einsetzt. Dort beruhen die verbesserten Quartalszahlen bis jetzt allein auf Sparmaßnahmen (Kurzarbeit, Lohnsenkung, Beschäftigungsabbau), während die Umsätze in den meisten Sparten immer noch zurückgehen. Die Exporte sind in den zentralen Weltregionen um 20 Prozent eingebrochen. Davon betroffen sind die Grundstoffindustrien (Stahl) ebenso wie die Investitionsgüterindustrien (Maschinenbau), die Konsumindustrien (Autos) und nicht zuletzt die Transportindustrien (Bahn, Lkw-Speditionen und vor allem Containerschiffe). Bei dem prognostizierten Wachstum im Ein-Prozent-Bereich für die kommenden beiden Jahre bestehen also weiter gewaltige industrielle Überkapazitäten. Das gilt auch für die ganze Palette der Zulieferindustrien und industriellen Dienstleistungen.

Ein Wachstum, das nur auf stimuliertem Konsum beruht, ist nicht selbsttragend. Auf größere Frist schiebt primär nicht der Konsum die Investitionen an, sondern die Investitionskonjunktur den Konsum. Allein daraus kann genügend Kaufkraft im Kapitalkreislauf entstehen. Angesichts der Überkapazitäten ist aber eher mit einem Investitionsstau zu rechnen. Die von der Niedrigzinspolitik der Notenbanken getriebene Liquidität fließt nicht in reale Investitionen, sondern in die Aktienmärkte, die mit ihrem zwischenzeitlichen Höhenflug einen illusorischen Aufschwung vorwegnehmen. Der Investitionsstau ist der blinde Fleck im Hoffnungsdiskurs, der mit einem bösen Erwachen enden könnte.

In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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