Schulfreunde auf der linken Bank
In Sachsen-Anhalt wollen LINKE und SPD eine ähnliche Schule
Wenn Banknachbarn in einer Klassenarbeit gleich gute Noten erhalten, sind es die kleinen Unterschiede, die Lehrer überzeugen, dass nicht einer vom anderen abgeschrieben hat, sondern beide ihre Hausaufgaben gründlich erledigten. Differenzen gibt es auch in den Schulkonzepten, die SPD und LINKE in Sachsen-Anhalt gestern vorstellten. Geht es nach den Vorstellungen der SPD, trennen sich die Wege von Abiturienten und Realschülern nach Klasse 8; die LINKE will ein Jahr länger warten. Die Grundschule bliebe ihren Ideen zufolge selbstständig, während sie bei der SPD in einer neuen Schulform aufgeht.
Grundsätzlich aber, das ist seit gestern klar, verfolgen beide das gleiche Klassenziel: Sie wollen den Übergang zu längerem gemeinsamen Lernen erreichen und dazu Schulen etablieren, die sich selbst im Namen kaum unterscheiden. Von »allgemeinbildender Oberschule« (AOS) spricht die SPD, von »allgemeinbildender Gemeinschaftsschule« (AGS) die LINKE. Beiden gemeinsam ist, dass die frühe Auslese nach Klasse 4 beendet wird.
Die Begründungen sind identisch. Im jetzigen gegliederten System landeten zu viele Kinder in Förderschulen oder verließen die Schule ohne Abschluss. Zudem würden Kinder mit zehn Jahren »in eine Schublade gesteckt, aus der sie nicht mehr rauskommen«, sagt SPD-Fraktionschefin Katrin Budde, die auch auf die »unsägliche Kopplung« von Schulerfolg und sozialer Herkunft schimpft. Es gebe »eine schmale Spitze und einen sehr problematischen Anteil von Risikoschülern«, sagt die LINKE-Schulpolitikerin Birke Bull.
Verbesserungen der jetzigen Schulen reichen beiden nicht. Das gegliederte Bildungssystem sei »die größte Lernbarriere überhaupt«, sagt Bull; die Probleme seien »im bestehenden System nicht zu lösen«, meint Budde. Praktische Folgen hat die theoretische Übereinstimmung derzeit freilich nicht. Die LINKE sitzt in der Opposition, die SPD regiert mit der CDU. Diese wiederum sieht keinen Grund, das bestehende Schulsystem in Frage zu stellen.
Genau weil beide Koalitionspartner in Schulfragen so verschiedene Positionen vertreten, wurde nach der Wahl 2006 ein Bildungskonvent einberufen. Dessen 37 Mitglieder aus Politik und Schule, Gewerkschaften und Wissenschaft ackern sich seither durch Konzepte und Studien, Vorträge und – oft vom Parteibuch der Referenten geprägte – Plädoyers. Am Montag haben LINKE und SPD ihre Schulkonzepte vor dem Konvent erläutert. Bis März 2010 soll eine gemeinsame Empfehlung vorliegen. Dass AOS oder AGS als Modell der Zukunft empfohlen werden, glaubt niemand. LINKE und SPD wären bereits froh, wenn es ein Plädoyer für längeres gemeinsames Lernen gäbe. Die Gewerkschaft GEW sprach gestern schon einmal von »sehr brauchbaren Diskussionsangeboten«.
Kaum hat der Konvent gesprochen, beginnt indes der Wahlkampf für die Landtagswahl 2011. Für diesen könnte die gestern demonstrierte rot-rote Übereinstimmung in Schulfragen prägend werden. Schließlich werde diese Frage »das prioritäre Thema« bei der Entscheidung für eine Koalition, sagt Budde, die damit die CDU in beträchtlichen Zugzwang bringt. LINKE-Landeschef Matthias Höhn glaubt, dass einem Bündnis in diesem Punkt nichts entgegensteht: Man sei sich mit der SPD »im Ziel einig« und werde trotz der Unterschiede in Details auch »einen Weg finden, das umzusetzen«.
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