Guttenberg: Kriegsähnliche Zustände in Afghanistan

Neuer Verteidigungsminister rückt von Vorgänger Jung ab

  • Lesedauer: 3 Min.
Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat die Lage in Afghanistan als »kriegsähnliche Zustände« bewertet und damit den Kurs seines Vorgängers korrigiert.

Berlin (dpa/ND). »In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände«, sagte Verteidigungsminister Guttenberg der »Bild«-Zeitung. Er betonte: »Der Einsatz in Afghanistan ist seit Jahren auch ein Kampfeinsatz.« Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) hatte auf die Frage, ob sich die derzeit rund 4300 deutschen Soldaten in Afghanistan im Krieg befänden, stets geantwortet, dass sie im Einsatz für die Stabilität und friedliche Entwicklung des Landes seien. Er betonte in seiner Zeit als Verteidigungsminister: »Es ist kein Krieg.«

Der Bundeswehrverband reagierte umgehend positiv auf Guttenbergs Äußerung. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte der »Mitteldeutschen Zeitung«: »Wir sind dem Minister sehr dankbar, dass er die Dinge beim Namen nennt. Dadurch wird der Ernst der Lage deutlich. Unsere Frauen und Männer, die täglich dort im Kampf stehen, sagen, das ist Krieg.«

Guttenberg äußerte Verständnis dafür, dass die Bundeswehrsoldaten den Einsatz als Krieg bezeichnen. Zwar bekräftigte der CSU-Politiker die auf das Völkerrecht gestützte Position der Bundesregierung, dass es Krieg nur zwischen Staaten geben könne. »Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten?« Manche herkömmliche Wortwahl passe für die Bedrohung von heute nicht mehr. »Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde (...) Wenigstens in der Empfindung nicht nur unserer Soldaten führen die Taliban einen Krieg gegen die Soldaten der internationalen Gemeinschaft.«

Die LINKE erklärte, die deutsche Afghanistan-Politik stecke in einer Sackgasse. Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke sagte: »Wir haben keine Strategie, aber die deutschen Soldaten bleiben weiter in Afghanistan.« Auch Guttenbergs Äußerung ändere an dieser Einschätzung nichts. Er forderte den Bundestag auf, das am 13. Dezember auslaufende Afghanistan-Mandat nicht zu verlängern. »Die deutschen Soldaten müssen so schnell wie möglich aus Afghanistan abgezogen werden.

Durch den NATO-Bericht zum Luftangriff in Afghanistan sieht die LINKE die Bundeswehr nicht entlastet. »Im nun zugänglichen Untersuchungsbericht ist unmissverständlich von einer überspitzt dargestellten Bedrohungslage zu lesen, von einer übereilten Eskalation und vom Versäumnis einer unmittelbar anschließenden Untersuchung«, teilte der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Paul Schäfer, am Dienstag in Berlin mit.

Der von der NATO als geheim eingestufte Bericht über den von der Bundeswehr angeordneten Angriff am 4. September im nordafghanischen Kundus liegt seit Montagnachmittag in der Geheimschutzstelle des Bundestags im englischen Original und in einer deutscher Übersetzung vor. Dort können ihn ausgewählte Abgeordnete einsehen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, hatte in einer ersten Bewertung des Berichts in der vorigen Woche erklärt, er habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass die deutschen Soldaten militärisch angemessen gehandelt hätten.

LINKE: NATO-Bericht veröffentlichen

Schäfer forderte die Regierung auf, den NATO-Bericht unverzüglich zu veröffentlichen. Die Regierung habe versucht, die Öffentlichkeit über den Angriff zu täuschen. Verteidigungsminister Guttenberg müsse sich jetzt äußern. »Dass er sich um eine Stellungnahme dazu drückt, ist nachvollziehbar, aber nicht akzeptabel«, meinte Schäfer.

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