Kultivierte »Wildnis« Alpen

Neues Buch zeigt Gebirge zwischen Landwirtschaft und Freizeitgeschäft

  • Bernd Hüttner
  • Lesedauer: 2 Min.
Die zentrale These eines neuen Buches lautet: Die Alpen sind Kulturlandschaft, deshalb ist ihre Bewahrung unabdingbar mit der landwirtschaftlichen Arbeit verknüpft. Was bedeutet das aber heute für die Zukunft dieses europäischen Gebirges, im Zeitalter der globalisierten »Freizeitgesellschaft« und den daraus resultierenden Erwartungen?

Der Kulturgeograph Werner Bätzing ist einer der wichtigsten Alpenforscher. In seinem neuen, von Evelyn Hanzig-Bätzing herausgegeben Buch werden 24 seiner in den letzten Jahren entlegen publizierten Beiträge, teilweise überarbeitet, veröffentlicht. Bätzings Aufsätze schildern die Alpen als Raum zwischen Entleerung und intensiver, vor allem touristischer Nutzung. Zum einen wandern Menschen aus vielen Gebiete in den Alpen ab, andere werden dagegen als Hochburgen des europäischen Freizeitmarktes zugerichtet – und beide Prozesse können räumlich direkt nebeneinander stattfinden.

Bätzing betrachtet ökologische Probleme nie nur als ökologisch. Die »Natur« kann einem die politische Debatte eben nicht abnehmen. Da die Umweltnutzung und Naturzerstörung eine gesellschaftliche Krisentatsache ist, muss sie auch gesellschaftlich angegangen werden. Dadurch kommen dann kulturelle Blockaden als Innovationshemmnis ins Blickfeld.

Ein noch relativ neues Phänomen in der Debatte über die Alpen ist deren Verstädterung, leben doch mittlerweile knapp zwei Drittel der Gebirgsbevölkerung in Städten, die verstädterten Regionen machen aber nur ein Drittel der Fläche der Alpen aus. Die Bevölkerungsentwicklung in der Region verläuft seit Mitte des 19 Jahrhunderts völlig gegensätzlich. Insgesamt ist die Bevölkerung seit 1870 zwar von sieben auf elf Millionen gestiegen, gleichzeitig hatten 43 Prozent aller Alpengemeinden einen Bevölkerungsrückgang auf nahezu die Hälfte zu verzeichnen.

Die Globalisierung verstärkt diesen Trend noch. Sie führt dazu, dass aus den Entleerungsgebieten eine positiv beschriebene »Wildnis« wird. Zugleich werden die Städte und ihr Umland immer größer. Diese Entwicklung, so die Befürchtung des Autors, würde »die Alpen« so wie wir sie bisher kennen, »zum Verschwinden bringen«.

Bätzing hat ein enorm vielseitiges und angenehm zu lesendes Buch geschrieben, das die richtige Mischung aus Wissensvermittlung, Detailstudien und Überblicksdarstellungen enthält. Wer aus einer sozial-ökologischen Perspektive etwas über die Alpen, ihre Geschichte und ihre Zukunft erfahren will, der sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Werner Bätzing: Orte guten Lebens. Die Alpen jenseits von Übernutzung und Idyll; Rotpunkt Verlag, Zürich 2009, 357 S., 24 €

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