Wann sind Allgemeine Geschäftsbedingungen »(un)lesbar«?

Rechtsprechung

  • Lesedauer: 2 Min.

Eine Arztpraxis hatte einen Kernspintomographen geleast. Anscheinend rechnete sich dessen Einsatz nicht so wie gedacht. Jedenfalls wollten die Mediziner das Gerät vorzeitig wieder zurückgeben. Um aus dem Vertrag »herauszukommen«, erklärten die Mieter, sie seien nicht an die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Vermieters gebunden. Denn die könne man nicht lesen.

Hintergrund: Bei Verträgen mit Verbrauchern werden die AGB eines Verkäufers oder Vermieters nicht Bestandteil der Vereinbarung, wenn sie lediglich mit der Lupe und selbst damit nur mühsam lesbar sind. Das gilt unter Umständen sogar für Verträge zwischen Unternehmen: Ein redlicher Kaufmann könne nicht davon ausgehen, dass sich sein Vertragspartner durch widerspruchsloses Entgegennehmen der AGB mit deren Inhalt einverstanden erklärt – wenn man die Klauseln nur mühsam entziffern kann (so ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs).

Vor Gericht kam es im Streit um die Leasing-AGB deshalb wesentlich auf die Frage an, wie denn »lesbar« zu definieren ist.

Das Landgericht fand die AGB des Vermieters (Leasinggebers) wegen des ungewöhnlich kleinen Drucks nicht lesbar – und übertrieb damit, wie das Oberlandesgericht Saarbrücken feststellte. Die Buchstabentypen seien zwar – wie auch in dem vom BGH entschiedenen Fall – nur etwa einen Millimeter hoch, räumten die Richter ein. Aber ansonsten sehe das Schriftbild ganz anders aus.

In dem damaligen Fall seien die AGB schon wegen der Schrift in blassblauer Farbe, gedruckt auf einem leicht grauen, dünnen Papier, kaum leserlich gewesen. Die AGB im Leasingvertrag seien dagegen technisch sehr sauber und schwarz auf weiß gedruckt. Trotz der kleinen Buchstaben sei die Schrift daher klar und gut lesbar. Außerdem seien die Zeilenabstände groß. Und fettgedruckte Überschriften für die einzelnen Klauseln erleichterten das Lesen. Dazu brauche wirklich niemand eine Lupe. Die AGB seien daher verbindlich.

Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 12. Juni 2008 - 8 U 380/07

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