Beim ministeriellen Start noch etwas tapsig
Opposition im Bundestag schenkte den neuen Ressortchefs nichts
Einen Vorgeschmack auf vier womöglich harte Jahre bot der Bundestag am zweiten Tag der Sitzungswoche. Den höflichen Erfolgswünschen an die neu ernannten Minister folgte jeweils regelmäßig die gnadenlose Attacke der Opposition. Ihren besonderen Unmut zog sich zweifellos Rainer Brüderle zu, der neue Wirtschaftsminister, der die Nachfolge von Karl-Theodor zu Guttenberg antritt. Dieser hatte das Amt von Michael Glos übernommen, der glücklos und von der Öffentlichkeit als unfähig geschmäht, im Februar das Handtuch geworfen hatte. Guttenberg wird seither von einer Welle medialer Sympathie getragen, egal, was er bisher tat.
Ganz oben auf dieser Woge hat er nun Rainer Brüderle Platz gemacht, und dieser scheint am Mittwoch einen Blick in den Abgrund getan zu haben. In nur neun Minuten Rede versuchte er, sich zwischen Opel, Steuersenkungen und Bankenkritik hindurchzulavieren und scheiterte damit schmählich. Nach dem Sturm der Entrüstung, der folgte, ist das Urteil der Opposition über ihn quasi gesprochen: Kein Zweifel, Brüderle wird der nächste Glos. Süffisant erinnerte dpa daran, dass Brüderle den Niedergang von Michael Glos vor Jahren faktisch selbst ausgelöst hatte – mit dem Kommentar, dieser sei der »Problembär« von Schwarz-Rot. Zu einem solchen drohe Brüderle jetzt selbst zu werden, stänkerte der bisherige SPD-Generalsekretär, Hubertus Heil.
Ein wenig zufriedenes Bild bot auch Franz Josef Jung in seiner neuen Funktion als Arbeits- und Sozialminister. Brigitte Pothmer von den Grünen schien ihm geradezu aus dem Herzen zu sprechen, als sie feststellte, dass er bei der Verteilung der Ministerposten abbekommen habe, was sonst keiner gewollt habe. Das aber hätten die Arbeitslosen und die übrigen Hilfsbedürftigen nicht verdient. Dennoch, so Pothmer, solle jeder Mensch seine Chance bekommen, auch Jung. Immerhin hatte dieser etwas Handfestes zu verkünden, dass nämlich die Kurzarbeiterregelung, mittels derer sich viele Unternehmen derzeit durch die Krise hangeln, verlängert werde. Die eigentlich bis Jahresende geltende Antragsfrist soll verlängert werden, innerhalb derer es bisher möglich ist, 24 und nicht nur sechs Monate Kurzarbeitergeld bei den Behörden anzumelden.
Doch nicht alle vermeintlichen Wohltaten der Regierung werden als solche geschluckt. So kritisierte Katja Kipping (LINKE) die geplante Direktüberweisung der Wohnkostenzuschüsse vom Amt an die Vermieter, unter Umgehung der Hartz-Bedürftigen. Vier Millionen Haushalte, so Kipping, würden dadurch quasi entmündigt, weil sie im Konflikt mit dem Vermieter ihren Interessen künftig nicht mehr über eine Mietminderung Nachdruck verleihen könnten.
Zusammen mit den neuen Verkehrsminister Peter Ramsauer, der am Mittwoch erneut für eine bessere »Balance« bei der Förderung von Ost und West plädierte, wirken Jung und Brüderle nach ihren ersten ministeriellen Schritten jedenfalls noch etwas tapsig.
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