Enke litt an Depressionen
Bestürzung über den Freitod / Länderspiel am Samstag abgesagt
Robert Enke hat vor seinem Freitod mehrere Jahre an schweren Depressionen gelitten. Doch die quälende Frage nach dem Warum blieb auch einen Tag nach dem Unglück von Eilvese unbeantwortet. Der Nationalspieler von Hannover 96 war am Dienstagabend an einem Bahnübergang von einem Zug erfasst und getötet worden. Die Nachricht löste Fassungslosigkeit, Trauer und Bestürzung aus. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sagte am Mittwoch als Reaktion auf die Tragödie das Länderspiel am Samstag gegen Chile ab. »Sein Tod ist ein immenser Verlust. Er wird uns fehlen, als erstklassiger Sportler und als außergewöhnlicher Mensch«, sagte Bundestrainer Joachim Löw. »Das ist ein Moment, bei dem man innehalten muss«, sagte Löw.
In einer bewegenden Pressekonferenz berichteten die Witwe Teresa Enke und der behandelnde Arzt Valentin Markser in Hannover über die Krankheit des 32-Jährigen. Schon seit 2003 litt er unter Depressionen. Dazu kam der Schicksalsschlag 2006, als die herzkranke Tochter Lara im Alter von zwei Jahren starb. »Wir dachten, wir schaffen alles. Aber man schafft es doch nicht immer«, sagte Teresa Enke. Aus Angst um seine Karriere, aber auch um das Sorgerecht für die im Mai adoptierte Tochter Leila, verheimlichte Enke seine Leiden der Öffentlichkeit. Dass er sich umbringen würde, ahnte aber auch sein näheres Umfeld nicht. In einem Abschiedsbrief habe sich Enke »für die bewusste Täuschung über seinen seelischen Zustand« entschuldigt, sagte Markser.
Der Schock saß auch bei der Nationalmannschaft tief. Bei der Pressekonferenz in Bonn, bei der die Absage des Länderspiels verkündet wurde, brach Teammanager Oliver Bierhoff in Tränen aus. DFB-Präsident Theo Zwanziger rang nach Worten. Die Absage sei »alternativlos« gewesen, meinte der DFB-Chef. Die Nationalspieler um Kapitän Michael Ballack, die die Absage befürworteten, reisten noch gestern aus Bonn ab. Sie werden am Sonntag an einer Trauerfeier für ihren Kollegen teilnehmen und sich erst danach auf die Partie am Mittwoch gegen die Elfenbeinküste vorbereiten.
Erstmals habe sich Enke vor sechs Jahren in seiner Zeit beim FC Barcelona in Behandlungen begeben, sagte Markser. Der spanische Verein widmete seinen Sieg im Pokalwettbewerb am Dienstagabend seinem ehemaligen Spieler. Bis kurz vor seinem Tod habe der Bundesliga-Profi in medizinischer Betreuung gestanden, so Markser. Eine stationäre Behandlungen hatte er noch am Tag seines Todes jedoch abgelehnt. Zuletzt hatte Enke neun Wochen lang pausiert. Als Begründung war eine Infektion genannt worden. Markser hat Enke in dieser Zeit psychotherapeutisch behandelt.
Noch für den Mittwochabend wurde eine Trauerandacht in der Marktkirche in Hannover angesetzt. An dem Gottesdienst wollten auch DFB-Präsident Theo Zwanziger, Löw und Ballack, der Enke seit fast 10 Jahren kannte, teilnehmen. Im Anschluss organisierten die Fans einen Trauermarsch durch die Stadt zum Stadion.
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