Europa soll sich der Armut stellen
Soziale Bewegungen fordern von der EU mehr als Symbolik
Ihren ganz spezifischen Beitrag zum Europajahr gegen Armut berieten Anfang November Vertreter von Erwerbsloseninitiativen, Arbeitslosenverbänden und den Euromarsch-Organisationen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Griechenland, Großbritannien, den Niederlanden, Portugal und weiteren Ländern in der »Hauptstadt Europas«. Das Anschwellen der Armut in Europa von 55 Millionen Betroffenen im Jahr 2001 auf inzwischen weit über 78 Millionen, davon 19 Millionen Kinder, bezeichnete der GUE/NGL-Fraktionsvorsitzende Lothar Bisky als »globale und demokratische Herausforderung«. Die Konferenzteilnehmer – wie Kartika Liotard aus den Niederlanden, gemeinsam mit der Deutschen Gabi Zimmer eine der Initiatorinnen der Veranstaltung – verschwiegen jedoch nicht, »wie schwer es ist, jene Menschen zu aktivieren, die ausgegrenzt sind, die diskriminiert werden«. Gabi Zimmer mahnte: »Wir dürfen das Europaparlament und die anderen Europa-Institutionen nicht aus ihrer Verantwortung beim Kampf gegen Armut entlassen. Wir müssen die EU beim Thema Armut in Zugzwang bringen.« Treffend formulierte die Britin Fintan Farrell vom Europäischen Netzwerk gegen Armut (ENAP) den Anspruch der Teilnehmer: »Es geht nicht darum, dass wir nett mit den ärmeren Mitbürgern umgehen.«
Dabei wird die Existenz von Armut oft noch geleugnet, wie Ingrid Schindler von der Thüringer Arbeitsloseninitiative – Soziale Arbeit meinte. Man dürfe sich nicht damit abfinden, wenn Behörden sagten, es gebe keine Armut, nur Bedürftige. »Es gibt Armut, auch in Thüringen, ganz besonders Frauenarmut, Kinderarmut und Altersarmut.« Allein die Kinderarmut habe in den letzten Jahren in Thüringen sprunghaft zugenommen.
Die Vertreter der Erwerbslosen- und Euromarsch-Initiativen setzen vor allem auf solche Aktionen wie die Euro-Märsche in den einzelnen Ländern und Regionen, aber auch auf große Manifestationen in Brüssel. Dort soll am 13. Oktober 2010 eine Menschenkette um die drei Hauptinstitutionen der EU gebildet werden.
Aus Thüringen kam der Vorschlag für ein grenzüberschreitendes Fünf-Länder-Treffen von Arbeitslosen. Das Thüringer Arbeitslosenparlament, so sein Präsident Hans-Hermann Hoffmann, will mit den beiden anderen ostdeutschen Erwerbslosen-Parlamenten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gemeinsame Aktionen mit Vertretern aus Tschechien und Polen beraten.
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