Schweden streitet um Bau der Ostsee-Pipeline

Kritiker bringen sicherheitspolitische Aspekte ins Spiel

  • Gregor Putensen
  • Lesedauer: 3 Min.
Nachdem Dänemark im Oktober sein Plazet zum Bau der Ostsee-Pipeline gegeben hatte, folgten Anfang November auch die Zustimmungen der Regierungen Finnlands und Schwedens. Während dies in Finnland ohne Aufregung zur Kenntnis genommen wurde, rief die Entscheidung der Regierung in Stockholm Proteste hervor.

Die lautstarke Verurteilung des Regierungsentscheids in Schweden wird nicht etwa nur von den drei Oppositionsparteien, sondern auch von einer großen Zahl maßgeblicher Repräsentanten der regierenden bürgerlichen Koalition getragen. Es geht dabei vor allem um den Vorwurf, dass die Zustimmung zum russisch-deutschen Nord-Stream-Projekt – der Ostsee-Pipeline – sich lediglich mit einer umweltpolitischen Prüfung der Voraussetzungen in der Wirtschaftszone Schwedens begnügt und die sicherheitspolitischen Konsequenzen für das Land ignoriert habe.

Den geballten Unmut sowohl aus dem Lager der Koalitionsparteien als auch der Opposition über die Zustimmung der Regierung hatte ihr Umweltminister Andreas Carl-gren nahezu allein auf seine Schultern zu nehmen. Die an ihn gerichteten vor allem sicherheits- und energiepolitischen Schuldzuweisungen ließen eine tief verwurzelte Russophobie erkennen. Sie trug – zumindest in den Debatten der Medien – zur weitgehenden Ausblendung der international verbindlichen Seerechtskonvention bei, die eine Nichtgenehmigung eines solchen Projekts – beispielsweise aufgrund militärischer Erwägungen oder eigener Präferenzen in der Energieversorgung – praktisch nicht vorsieht. Die Befolgung der von Schweden gegenüber dem Nord-Stream-Projekt geltend gemachten verschärften Umweltverträglichkeitskriterien und der Verzicht auf die zunächst geplante Errichtung einer Serviceplattform östlich von Gotland (wegen des Verdachts ihrer möglichen Nutzung als russischer Spionagevorposten), vermochten die protestierenden politischen Gruppierungen nicht zu beruhigen. Unter verschiedenen energiewirtschaftlichen Aspekten fußte ihr Protest auf folgenden Erwägungen: EU-Staaten gerieten (unter Verweis auf den allerdings kaum zutreffenden Bezug zum Gasstreit Russlands mit der Ukraine) in eine unvertretbare energiepolitische Abhängigkeit von Moskau, was die EU spalten werde. Die Pipeline würde darüber hinaus für den Fall einer Abzweigung nach Schweden der Entwicklung erneuerbarer Energien dort schaden. Auch die Atomlobby warnt nachdrücklich vor einer derartigen Möglichkeit, weil der bereits bevorstehende Ausbau der Kernkraftwerke behindert würde. Die großbürgerliche Zeitung »Svenska Dagbladet« scheute sich nicht einmal, die Ablehnung des Pipeline-Projekts mit der früheren Zugehörigkeit des russischen Premiers Wladimir Putin zum KGB und angeblich auch des deutschen Chefmanagers für die technische Baurealisierung, Mathias Warnig, zur Staatssicherheit der DDR zu drapieren.

Spekuliert wird im Zusammenhang mit der Nord-Stream-Entscheidung ebenso über die Bemühungen des schwedischen Regierungschefs Fredrik Reinfeldt als EU-Ratspräsident, gegenüber Russland außenpolitische Schadensbegrenzung betreiben zu wollen. Schwedens Außenminister Carl Bild galt nämlich seit seinem Vergleich Russlands und Hitlerdeutschlands im Kontext des Kaukasuskriegs im Sommer 2008 in Moskau als »persona non grata«. Der Vorfall hatte noch andere Folgen: Bisher wurden die im Halbjahresturnus stattfindenden Konferenzen des EU-Russland-Rates stets im Herbst in der Hauptstadt des jeweiligen EU-Präsidentschaftslandes veranstaltet. Moskau aber setzte zunehmend auf Brüssel als Konferenzort. Nach der Zustimmung zum Pipeline-Bau war Stockholm für die Russen plötzlich kein Problem mehr – und Reinfeldts vermeintlich bedrohte Reputation als amtierender EU-Ratspräsident war zumindest vorerst gesichert.

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