Neue Protestformen finden
Bündnis »Wir zahlen nicht für eure Krise« tagt in Stuttgart
Das Bündnis »Wir zahlen nicht für eure Krise« hatte am 28. März die Großdemonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main vorbereitet. Am 17. September rief es in über 20 Städten einen dezentralen Aktionstag aus. Florian Becker von der Berliner Gruppe Soziale Kämpfe (GSK), die zu den Organisatoren der Konferenz gehört, zieht dennoch eine durchwachsene Bilanz. »Es gibt Proteste gegen die Abwälzung der Krisenlasten, aber sie sind fragmentiert, defensiv und weniger kämpferisch als viele noch im letzten Jahr hofften«.
Besonders vor den Wahlen hielten sich Gewerkschaften und andere Organisatoren der außerparlamentarischen Bewegung beim Protestengagement zurück. Doch dass eine konservativ-liberale Regierung automatisch die Protestbereitschaft steigert, wäre eine falsche Annahme. Davor hatte der Stuttgarter ver.di-Gewerkschafter Bernd Riexinger, der zu den Initiatoren der Konferenz gehört, schon vor einigen Monaten gewarnt. Er gab zu bedenken, dass die sozialen Einschnitte schleichend verlaufen und sich viele Menschen anpassen. Deswegen soll an diesem Wochenende viel Raum für Reflexionen und Diskussionen geboten werden.
So werden die Sozialwissenschaftlerin Christina Kaindl von der GSK und die Gewerkschafterin Sybille Stamm von ver.di-Stuttgart über den Zustand der außerparlamentarischen Bewegung nach der Bundestagswahl referieren. Aktivisten verschiedener sozialer Bewegungen werden ebenfalls zu Wort kommen, so Bildungsstreikaktivisten, Angehörige des Leipziger Antikrisenbündnisses und der Aktion Zahltag, die für die Rechte von Erwerbslosen in den Jobcentern kämpft.
Einen großen Stellenwert werden auch die betrieblichen Kämpfe einnehmen. »Kämpfe um Arbeitsplätze, Lohn und Arbeitsbedingungen oder Arbeitsplatzerhaltung um welchen Preis?«, lautet die Frage, mit der sich Betriebsräte von Schließung bedrohter Unternehmen beschäftigen werden. Der Stuttgarter ver.di-Gewerkschafter Werner Sauberborn will die Debatte auf die Arbeitszeitverkürzung hinlenken – eine etwas in Vergessenheit geratene gewerkschaftliche Forderung. Zur Planung zukünftiger Aktionen soll es Vorschläge lokaler Bündnissen geben.
Auf einem gut besuchten Ratschlag des Berliner Anti-Krisenbündnisses am vergangenen Dienstag vertraten mehrere Redner die Einschätzung, dass die von der Regierungskoalition geplante Kopfpauschale in der Gesundheitspolitik zum Katalysator neuer Proteste werden könnte. Auch eine Namensänderung des Bündnisses wird in Stuttgart auf der Tagesordnung stehen. »Wir können nicht immer wieder sagen, dass wir nicht für die Krise zahlen«, meinte Christina Kaindl. »Bündnis gegen den kapitalistischen Normalvollzug« lautete einer der alternativen Namensvorschläge.
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