Scherbengericht

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 1 Min.

Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ist von keinem Zweifel gerührt. Noch während Parteitagsdelegierte über Agenda-Politik, Rente mit 67, Glaubwürdigkeitsverlust, mangelnde Solidarität und einen SPD-Führungsstil »mit nachholender Demokratie« schimpfen, was das Zeug hält, zeigt er sich in diversen Interviews vom bisherigen Kurs überzeugt. Und auch Franz Müntferings Blick zurück ist wenig selbstkritisch geraten. Der beschwört den Kampfgeist der Partei und die nicht klein zu kriegende sozialdemokratische Idee – den Anteil des SPD-Führungspersonals am haushoch verlorenen Kampf am 27. September und am immer weniger sozialdemokratischen Handeln in elfjähriger Regierungszeit sparte er aus. Um dann schmallippig die Kritik von Dutzenden Genossen zur Kenntnis zu nehmen.Sicher, nach einem Jahrzehnt Absolutismus ist das eine Zumutung für beide. Ein Grund zu Nachdenklichkeit? Fehlanzeige.

Die Parteitagsstrategen haben wohlweislich die längst überfällige Abrechnung der Basis mit ihrer Führung am Anfang platziert. Auf dass der Ärger verraucht ist, wenn die neue Führungsriege mit sattsam bekanntem Personal das Ruder übernimmt und einen halbherzigen SPD-Neuanfang wagt. Fünf Minuten Erleichterung pro Redner – nach mehr als einem Jahrzehnt des ohnmächtigen Stillhaltens ist auch das eine Zumutung. Und die dürfte – liest man den heute zur Debatte stehenden Leitantrag und hört man Steinmeier tönen – längst nicht zu Ende sein.

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