Wer hat sich verraten? Sozialdemokraten

Die Nominierung von Olaf Scholz zum erneuten Kanzlerkandidaten hat Friedrich Merz bereits heute den Wahlsieg geschenkt, prognostiziert Christoph Ruf

Olaf Scholz
Olaf Scholz

Am 21. November 2024 hat Friedrich Merz die Bundestagswahl gewonnen. Mit der Entscheidung der SPD, allen Ernstes Olaf Scholz erneut zu nominieren, ist das Ding durch. Scholz, das dürften selbst strategische Genies wie Saskia Esken und Lars Klingbeil mitbekommen haben, führte die unbeliebteste Koalition in der Nachkriegsgeschichte an und hat die schlechtesten Umfragewerte aller Politiker.

In Deutschland unbeliebt zu sein kann das größtmögliche Kompliment sein. Im Falle von Scholz ist das anders: Der Mann hat bei den Cum-Ex-Geschäften mehr als eine schlechte Figur gemacht, als er so viele Erinnerungslücken vorschützte, als lebe er auf einer Demenzstation. Er hat eine unökologische Politik betrieben, europapolitisch versagt und dringend notwendige internationale Initiativen (Besteuerung von Super-Reichen) torpediert. Außenpolitisch gab er sich zögerlich, hat aber dann doch immer brav alle Waffen geliefert, sobald sein Übervater jenseits des Atlantiks den Daumen gehoben hat. Dass Deutschland unter Scholz als einziges europäisches Land Waffen stationieren wird, die auf Moskau zielen, dürfte sein Show-Telefonat mit Putin erheblich erleichtert haben – Biden und Trump freut’s.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Doch im Gegensatz zu ersterem hat sich in den jämmerlichen Resten der einstmals stolzen Volkspartei SPD niemand gefunden, der einem mit einer grotesk verzerrten Selbstwahrnehmung gesegneten Mann sagen wollte, dass es vorbei ist. Ausbaden müssen das nun die Ortsvereine, die sich in den kommenden Wochen auf zugigen Marktplätzen der Lächerlichkeit preisgeben werden, wenn sie für die einzige Partei werben wollen, die in den vergangenen drei Jahren komplett unsichtbar war. Nach drei Jahren Ampel weiß wohl jeder halbwegs Politikinteressierte, was die Grünen gerne machen würden, hätten diese die absolute Mehrheit. Auch von der FDP weiß man das, de facto war Christian Lindner schließlich Kanzler.

Aber wofür noch mal stünde die SPD, wenn das böse Leben sie nur mal endlich mit einer absoluten Mehrheit belohnen würde? Zu verantworten hat das programmatische schwarze Loch vor allem aber die Parteiführung, die hinter einem sprachunfähigen Kanzler unsichtbar wurde. Kevin Kühnert und Esken waren ja einmal angetreten, die geistig und personell erodierte Partei aus der Großen Koalition zu führen, in die sie unter anderem Scholz ab 2013 geführt hatte. Nun, zwölf Jahre später wird die SPD wieder Juniorpartnerin in einer Großen Koalition. Die Sozialdemokratie steht halt für Fortschritt.

Warum sich die SPD das antut? Ist es wirklich die Unfähigkeit, schlechte Nachrichten zu überbringen, also schlichte Feigheit? Gestreut wurde ja: Die einzige Chance, Scholz loszuwerden, wäre, dass er selbst zurücktritt. Sollte irgendjemand hoffen, dass Scholz immerhin dann geht, wenn er am 23. Februar bei 14 Prozent landet, könnte er sich übrigens täuschen. Der pathologisch selbstbewusste Scholz wird eher noch am Wahlabend betonen, dass jeder andere Kandidat bei zehn Prozent gelandet wäre. Vorausgesetzt, jemand schreibt ihm vorher die richtigen Worte auf, und der Teleprompter läuft zuverlässig.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.