Ost-LINKE drängt auf Einwechslung
Sachsen-Anhalt: Genossen bekräftigen Regierungsanspruch und lehnen Restriktionen ab
Im Fußballstadion ist der Aufenthalt auf der Wechselbank weit weniger schweißtreibend als der auf dem Platz. Auch das Verletzungsrisiko ist deutlich geringer. Auf den Ausgang des Spiels hat man freilich keinen Einfluss. Ähnliches, sagt Matthias Höhn, gilt für die Politik. Die Aufgabe der LINKEN, erklärt ihr Landeschef in Sachsen-Anhalt, erschöpfe sich daher nicht darin, »am Spielfeldrand zu stehen und die anderen zu beschimpfen, was sie für einen Mist zusammenspielen«. In Ländern wie Sachsen-Anhalt »bestehen wir auf Einwechslung, weil wir überzeugt sind, dass wir es besser können«.
Im eigenen Landesverband hat Höhn, der am Wochenende mit 84 Prozent im Amt bestätigt wurde, mit der Forderung ein Heimspiel; in der Partei insgesamt scheint sie derzeit umstritten wie lange nicht. Während der 34-Jährige am Samstag den Anspruch aufs Mitregieren aus Wahlergebnissen von zuletzt 32,4 Prozent sowie der politischen Stagnation in dem von CDU und SPD geführten Land ableitete, befasste sich der Bundesvorstand der Partei in Berlin mit einem Antrag, der die Beteiligung an Regierungen an strenge Restriktionen knüpft. So dürfe es keinen Sozialabbau, keinen Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst und keine Privatisierungen geben; Koalitionsvereinbarungen dürften sich nicht gegen Beschlüsse der Bundespartei richten. Dies solle in der Partei »absolut verbindlich« festgelegt werden – wenn auch nicht »sanktionsbewehrt«, wie es vor einer Woche ein fast wortgleicher Beschluss des NRW-Parteitages vorsah. Verfahren, um die Einhaltung »sicherzustellen«, sollten gleichwohl im Vorstand entwickelt werden.
Hintergrund für den Vorstoß ist die große Unzufriedenheit etwa bei Genossen in Nordrhein-Westfalen über die Koalitionsvereinbarung in Brandenburg. Mit dieser sei kein Politikwechsel verbunden, heißt es. In Landesverbänden wie Sachsen-Anhalt wird der deshalb lancierte Vorstoß, der im Vorstand von Michael Schlecht eingebracht und nach dessen Worten von Oskar Lafontaine unterstützt werde, indes rundheraus zurückgewiesen. Zum einen verbitten sich die Ost-Genossen derlei rigide Vorgaben: »Wir sind selbst in der Lage, über unser Handeln zu bestimmen«, sagt etwa Frank Thiel, Geschäftsführer der Magdeburger Fraktion.
Gleichzeitig sehen die Genossen in Sachsen-Anhalt in ihren Wahlergebnissen einen »deutlichen Auftrag der Wähler« zum Mitgestalten – und das, obwohl »eher miese« finanzielle Bedingungen die Umsetzung vieler Wünsche nicht zulassen, wie Fraktionschef Wulf Gallert einräumt. Dennoch gibt es hohe Erwartungen etwa bei Gewerkschaften, dass mit Hilfe der LINKEN weiterer Abbau bei Lehrern und Polizisten verhindert werden könne. GEW-Landeschef Thomas Lippmann erklärte auf dem Parteitag unumwunden, er hoffe auf eine Regierungsbeteiligung der Partei. Die LINKE, sagt Gallert, könne sich nicht mit der Feststellung begnügen, man regiere erst mit, »wenn die Sonne wieder scheint und die Finanzen in Ordnung sind«.
Mit dieser Haltung ist er offenbar nicht allein: Der Antrag im Bundesvorstand wurde nach zweistündiger, dem Vernehmen nach hitziger Debatte ad acta gelegt. In Magdeburg sieht man indes keinen Grund zur Entwarnung: Es gebe »substantielle Missverständnisse über Wesen und Funktion der Partei«, sagt Gallert und fordert wie Höhn, bald die Programmdebatte zu führen und dabei auch die Frage zu klären, unter welchen Bedingungen sich die Partei an Regierungen beteiligen soll. Das Drängen hat einen Grund: 2011 wird in Sachsen-Anhalt gewählt. »Wir«, sagt Höhn, »sind die Nächsten.«
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