IG Metall sucht Wege aus der Krise
Gewerkschaft und Betriebsräte für Verlängerung der Kurzarbeitsregelung
»Ich habe nicht die Hoffnung, dass Rainer Brüderle die Krise beendet.« Der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild ist skeptisch: »Wer jetzt vom Ende der Krise faselt, hat nichts verstanden und will nichts verstehen.« Schild zufolge haben 60 Prozent der Betriebe in dem Bezirk derzeit keine ausreichende Kapazitätsauslastung. Weil aber auch aufgrund des hohen Euro-Wechselkurses die früheren Exportquoten – 80 Prozent in der Elektro- und der Stahlindustrie – künftig nicht mehr zu erreichen seien, sei es »wichtig und richtig, dass wir diesen Risiken ins Auge schauen und uns nicht Sand in die Augen streuen lassen«.
Seine Warnungen richtete Schild an Betriebsräte aus Unternehmen in Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und dem Saarland, die sich zu einer Aktionskonferenz der IG Metall am Montag in Hanau versammelt hatten. Um drohenden Massenentlassungen zu begegnen, müsse das im letzten Winter auf 24 Monate Bezugsdauer verlängerte Instrument der Kurzarbeit auch in den kommenden Jahren erhalten bleiben, so der Gewerkschafter. Darüber hinausgehend verlangte Conny Gramm, Betriebsratsvorsitzende der Hanauer Vacuumschmelze, eine neue Offensive der IG Metall für Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich: »Wann wenn nicht jetzt?«, fragte die Gewerkschafterin.
»Beschäftigungssicherung heißt nicht Lohnverzicht«, stellte Schild die Position der IG Metall klar. Zudem müsse prekäre Beschäftigung verändert und sozial reguliert werden. Da die Zahl der Leiharbeiter in den Betrieben zunehmen solle, müssten Betriebsräte und Vertrauensleute diese Herausforderung »nicht nur verbalradikal bekämpfen«, sondern auch mit praktischen Maßnahmen die Anzahl der Ausgeliehenen begrenzen. »Was wir nicht verhindern können, müssen wir besser als bisher regulieren«, rief Schild.
Der Gewerkschafter verlangte zudem eine »aktive Wirtschaftspolitik« und kritisierte, dass deutsche Banken derzeit den Kreditfluss für Unternehmen dramatisch beeinträchtigten. Diese Kreditklemme sei »skandalös, moralisch verwerflich und im Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit eine Katastrophe«. Die Bundesregierung müsse die Geldvergabe an die Banken mit einer Verpflichtung zur Weitergabe der Gelder an die Realökonomie verknüpfen. Bei einer staatlich mitorganisierten Kreditversorgung müssten auch öffentliche Institute wie die KfW-Bankengruppe oder Landesbürgschaftsbanken eine gewichtige Rolle spielen. »Jetzt müssen die Entscheidungen getroffen werden, denn wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie Industriebetriebe nacheinander absaufen«, verlangte Schild.
Zuvor hatte bereits der 1. Bevollmächtigte der IG-Metall-Verwaltungsstelle Eisenach, Uwe Laubach, anhand von Beispielen aus Thüringer Betrieben vor dramatischen Folgen der Kreditklemme für mittelständische Betriebe mit geringer Eigenkapitalquote gewarnt. Er regte als Alternative eine Beteiligung von Bund und Ländern an Banken an.
Gerd Spellerberg, Betriebsratsvorsitzender des Luftfahrtzulieferers Buderus Sell im mittelhessischen Herborn, berichtete über den jahrelangen Kampf seiner Belegschaft zur Sicherung des Standorts. Durch die Mobilisierung aller Beschäftigten, eine breite Solidarität in der Region sowie das Echo in Kommunalpolitik und Medien sei es gelungen, den Angriff von »Heuschreckeninvestoren« abzuwehren und alle Arbeitsplätze bis 2012 zu sichern.
Der frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz gab zu bedenken, eine Staatsbank lasse sich »nicht aus dem Hut zaubern«. Zudem forderte der SPD-Politiker eine Verlängerung der Regelungen zur geförderten Altersteilzeit und mehr Arbeitsvermittler, um den Erwerbslosen gezielter zu helfen. Mehrere Teilnehmer hielten Scholz die Mitwirkung an Hartz-Gesetzen, am Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung und die Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre vor. »Die SPD hat noch nicht herausgefunden, warum ihr die Wähler weglaufen«, gab ein Betriebsrat der Continental Teves AG zu bedenken.
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