Versicherungen in Serie – Teil 8 - Wer nicht rechtzeitig für den Ernstfall vorsorgt, lebt riskant
Assekuranz
Das Risiko, berufsunfähig zu werden, wird von vielen Menschen unterschätzt. Tatsächlich scheidet jeder vierte Beschäftigte bereits vor dem Erreichen seines normalen Rentenalters aus dem Berufsleben aus! »Schuld« daran ist in neun von zehn Fällen eine fürchterliche Erkrankung oder ein schwerer Unfall. Das ist im Einzelfall schlimm genug. Doch ein Verlust der Arbeitskraft durch Berufsunfähigkeit hat obendrein noch schmerzhafte finanzielle Folgen für den Betroffenen.
Wer durch ein Unglück berufsunfähig wird, sollte von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht allzu viel erwarten. Und selbst eine zusätzliche private Unfallversicherung deckt in der Regel nicht das Existenzrisiko vollständig ab. Dennoch stehen rund 90 Millionen Renten- und Lebensversicherungsverträgen und etwa 30 Millionen Unfallversicherungsverträgen in Deutschland nur weit weniger als 20 Millionen Abschlüsse einer Berufsunfähigkeitsversicherung gegenüber. Deutschlands Arbeitnehmer sind damit dramatisch unterversichert.
Die Berufsunfähigkeitsversicherung gehört zu den wichtigsten Versicherungen, rät die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Berlin gegenüber dieser Zeitung, und auch der Bund der Versicherten hält sie für »unumgänglich«. Besonders dringlich ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Zeitgenossen, die nach dem 1. Januar 1961 geboren wurden. Dieser Gruppe der U-49 wurde von der rot-grünen Bundesregierung der bis dahin gültige gesetzliche Berufsunfähigkeitschutz gestrichen. Zugleich kürzte Gerhard Schröders rot-grüne Bundesregierung den Schutz von älteren Erwerbstätigen – von 66 Prozent auf nur noch 50 Prozent.
Diese Lücke kann eine zusätzliche private Berufsunfähigkeitsversicherung schließen helfen. Sie zahlt im Fall der Fälle zusätzlich zu Sozialrenten oder anderen Versorgungsbezügen eine monatliche Rente. Voraussetzung ist, dass der Versicherte durch Krankheit oder Unfall in dem vertraglich festgelegten Umfang berufsunfähig wird (in der Regel ab 50 Prozent), er also seinen Beruf voraussichtlich »auf Dauer« nicht mehr ausüben kann.
Trotz des fehlenden gesetzlichen Schutzes wird das Risiko häufig unterschätzt. Ohne eine private Berufsunfähigkeitsversicherung bleibt den Betroffenen im Notfall häufig nur die niedrige gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Die Konsequenzen können bitter schmecken: Einem 40-jährigen Familienvater in Karlsruhe, mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 5.000 Euro, zahlt der Staat im Falle einer vollständigen Berufsunfähigkeit gerade einmal 850 Euro; ein sächsischer Freiberger in der gleichen Lage muss sich sogar mit nur etwa 650 Euro zufrieden geben.
Bei der Wahl einer Berufsunfähigkeitsversicherung sollte zunächst die Qualität des Angebots im Vordergrund stehen, denn die Policen bieten höchst unterschiedlichen Schutz. Und Vorsicht: Beim Ausfüllen des Antrags müssen grundsätzlich alle Fragen über den Gesundheitszustand wahrheitsgemäß und vollständig ausgefüllt werden. Wer falsche Angaben macht, riskiert später im Bedarfsfall möglicherweise seinen Versicherungsschutz. Einige Unternehmen verzichten allerdings auf den umstrittenen § 41 des Versicherungsvertragsgesetzes und kündigen daher den Vertrag nicht, wenn der Kunde seine Pflicht, alle Gesundheitsprobleme anzugeben, schuldlos verletzt hat.
Aber nicht allein die genauen Vertragsbedingungen unterscheiden sich von Gesellschaft zu Gesellschaft erheblich, auch der Preis für den Versicherungsschutz weicht erheblich voneinander ab. Für einen Dreißigjährigen kann ein Jahresbeitrag von 314 oder von 1.376 Euro fällig sein, je nach Versicherungsgesellschaft, die er ausgewählt hat.
In jedem Fall ist ein Versicherungsvertrag gegen Berufsunfähigkeit ein teures Vergnügen. Einige Berufsgruppen müssen sogar dermaßen hohe Beiträge zahlen, dass sich ein Schutzpaket für sie eigentlich nicht lohnt oder schlicht unbezahlbar ist. In jedem Fall zahlt es sich aus, den Berufsunfähigkeitsschutz nicht bei der erstbesten Versicherung abzuschließen.
Vor allem jüngere Menschen unterschätzen häufig das Risiko. Selbst Schüler, Auszubildende, und Studenten, sollten über eine private Berufsunfähigkeitsversicherung nachdenken. Der Abschluss sollte getätigt werden, solange der Verbraucher – also Sie! – noch kerngesund ist, denn schon kleinere Leiden oder Vorerkrankungen können zur Ablehnung eines Antrages durch die Versicherungsgesellschaft führen oder den Preis ins Wolkenkuckucksheim hochtreiben.
Bei der Einholung eines Angebotes sollten Sie unter anderem darauf achten, dass auf eine »abstrakte Verweisung« verzichtet wird. Ansonsten ist im Notfall eine »Verweisung« auf einen anderen Beruf möglich. Das heißt, Sie müssten dann auf Drängen der Versicherungsgesellschaft einen anderen Job annehmen, welcher durch Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung mit dem bisherigen irgendwie vergleichbar ist. Lehnen Sie dieses Angebot ab, zahlt die Versicherung nicht!
Weitere Tipps und einen Musterbrief zur Angebotseinholung finden Sie im Internetangebot des Bundes der Versicherten: www.bundderversicherten.de oder im Ratgeber der Verbraucherzentralen »Berufsunfähigkeit gezielt absichern«. Das Buch kostet 12,90 Euro im Buchhandel.
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