Pakistans Armeechef hat Indien im Visier
Regierung dagegen für Friedensdialog
»Ein abenteuerlicher und feindlicher Nachbar«. Obwohl General Ashfaq Kayani Indien nicht beim Namen nannte, verstanden alle Anwesenden, wer gemeint war. Der Armeechef sprach in der vergangenen Woche vor Absolventen der Luftwaffenakademie in Risalpur. Mit seiner Einschätzung lag er genau auf der Linie der ständig wiederholten, bis heute aber unbewiesenen Anschuldigungen von Politikern und Medien, Indien heize Aufruhr in der Provinz Belutschistan an und versorge die Taliban in Südwasiristan mit Waffen und Medikamenten. Auch Shahbas Sharif, Chefminister der Provinz Punjab, fabulierte bei einem Besuch in Quetta, der Hauptstadt Belutschistans, von einer »indischen Hand«. Außenminister Shah Mahmod Qureshi erklärte am Wochenende, man trage derzeit »harte Fakten zusammen«, die Indiens Einfluss beweisen sollen.
Delhi hat diese Vorwürfe zurückgewiesen und seine Bereitschaft erklärt, gegen Extremisten und Terroristen gemeinsam vorzugehen. Das Verhältnis zwischen den Nachbarstaaten ist jedoch seit dem Terrorschlag am 26. November 2008 in Mumbai, bei dem über 160 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt wurden, schwer gestört. Dem einzigen überlebenden, aus Pakistan stammenden Attentäter wird gegenwärtig in Mumbai der Prozess gemacht. Seine Aussagen bestätigten, dass das Komplott von extremistischen Organisationen in Pakistan geschmiedet wurde. Ehe nicht alle Drahtzieher in Pakistan hinter Schloss und Regel sitzen, lehnt Indien die Wiederaufnahme des Dialogs mit dem Nachbarn ab.
Momentan verdichten sich die Informationen, dass zwei kürzlich vom FBI in Chicago festgenommene Terrorverdächtige an den Vorbereitungen des Mumbai-Massakers beteiligt gewesen sein könnten. Es handelt sich um den USA-Bürger David Coleman Headley, einen gebürtigen Pakistaner, der 2006 seinen Namen Daud Gilani ändern ließ, und den Kanadier Tahawur Hussain Rana, ebenfalls aus Pakistan stammend. Sie weilten mehrmals vor dem 26. November 2008 in Indien und Pakistan und unterhielten Kontakte zu den militanten pakistanischen Organisationen Lashkar-e-Taiba und Harkat-ul Jihad. Indische Sicherheitsoffiziere waren in Chicago und befragten die beiden. Wird ihre Mittäterschaft oder gar eine Schlüsselrolle bewiesen, dürften sich die Aussichten auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Indien und Pakistan weiter eintrüben.
Angesichts dessen ist die Tirade Ashfaq Kayanis gegen den »feindlichen Nachbarn« umso erstaunlicher. Mehrfach haben die USA, die sich als Brückenbauer zwischen Pakistan und Indien verstehen, Islamabad gemahnt, die Hauptbedrohung nicht auf indischer Seite zu sehen, sondern bei den radikalen Taliban und bei Al Qaida. Pakistans Präsident Asif Ali Zardari scheint diese Botschaft verstanden zu haben und plädiert trotz aller Hürden für den unverzüglichen Neustart des Friedensdialogs. Doch zwischen ihm und dem Armeechef bestehen offensichtlich Meinungsverschiedenheiten bezüglich der »Bedrohung von indischer Seite«. Darauf verwies auch Fausia Wahab, Informationssekretärin der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP). Zardari, so meinte sie, habe die Vision, das Verhältnis zu Indien grundlegend zu ändern. Nicht Sicherheitsfragen, sondern Handel und wirtschaftliche Kooperation sollten es prägen. Unerwähnt blieb das Haupthindernis für ein normales Nachbarschaftsverhältnis – der seit 1947 schwelende Kaschmirkonflikt.
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