Gegen Abschiebung auf Abruf
Migrantenorganisationen und LINKE fordern von Innenministern Bleiberecht ohne Wenn und Aber
Migrantenorganisationen und LINKE fordern von der am Donnerstag beginnenden Innenministerkonferenz eine Neuregelung des Bleiberechts ohne rigide Kriterien sowie einen konsequenten Abschiebestopp.
Eine Duldung sei nichts anderes als eine »Abschiebung auf Abruf«, erklärt Hermann Hardt, Sprecher des Flüchtlingsrats Hamburg. In Deutschland müssen 60 000 Menschen teilweise seit mehr als einem Jahrzehnt diese permanente »Zitterpartie« aushalten, wie Hardt Kettenduldungen – die Genehmigung wird halbjährlich neu erteilt oder verweigert – von Migranten nennt.
Die so genannte Altfallregelungen soll diesen inhumanen Schwebezustand angeblich längst beendet haben. Die gesetzliche Bleiberechtsregelung, die Ende August 2007 in Kraft getreten war, soll ausreisepflichtigen ausländischen Staatsangehörigen einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland sichern. Begünstigt werden aber lediglich Migranten, deren Einreise bis zu bestimmten Stichtagen – für Personen mit minderjährigen Kindern gelten etwas großzügigere Fristen – sechs bzw. acht Jahre zurück lag. Zudem müssen sie nachweisen, dass sie gut integriert sind, die Möglichkeit haben und intensive Bemühungen anstellen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Das Vorhaben einer Humanisierung der Lebensumstände für Migranten durch die Altfallregelung sei mitnichten realisiert, kritisieren Flüchtlingsorganisationen und die Linkspartei, weil diese an unzumutbare Kriterien gebunden sei. »Für alle dem Bleiberecht unterliegenden Migranten gilt bereits der Verstoß gegen die Residenzpflicht als Straftat«, gibt Hermann Hardt zu bedenken und verweist auf ein weiteres Problem: Verhält sich nur ein einziger Angehöriger einer Familie nicht rechtstreu, ist nicht nur er, sondern sind auch seine Verwandten vom Entzug der Aufenthaltsgenehmigung betroffen. »Das ist Sippenhaftung und somit absolut inakzeptabel.«
Der migrationspolitische Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft Mehmet Yildiz erinnerte daran, dass alle Menschen, die die verlangte Aufenthaltsdauer erst nach den gesetzlich festgeschriebenen Stichtagen erreicht haben, von vorn herein durch die Maschen der Regelung gefallen sind. Zudem verwies er auf die prekäre Arbeitsmarktsituation: »Die Wirtschaftskrise hat viele Migranten erwerbslos gemacht. Und geringfügige Beschäftigungen werden von der Altfallregelung nicht einmal anerkannt.« Unter diesen schwierigen Umständen an dem Kriterium der selbstständigen Lebensunterhaltssicherung festzuhalten, bezeichnete Yildiz als »zynisch«.
Anlass des Vorstoßes seiner Partei und von Migrantenorganisationen, auf eine umfassende Neuregelung zu drängen, ist, dass die Altfallregelung zum Jahresende ausläuft. Auf ihrer übermorgen beginnenden Konferenz werden die Innenminister voraussichtlich nur eine Verlängerung der Altfallregelung von einem Jahr, maximal zwei Jahren beschließen.
Doch die Kritiker sehen weiteren Handlungsbedarf: Sie wollen einen sofortigen und konsequenten Abschiebestopp durchsetzen für Länder wie Afghanistan, Syrien und Kosovo, in die für viele Flüchtlinge eine Rückkehr nur unter Lebensgefahr möglich ist. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, ruft ein Bündnis aus mehr als 25 Organisationen und Verbänden für Mittwoch zu einer Demonstration in Bremen unter dem Motto »Hier geblieben – jetzt erst recht!« auf.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.