Versicherungen in Serie – Teil 10 Vor allem die privaten Krankenkassen werden gefördert

Assekuranz

  • HERMANNUS PFEIFFER
  • Lesedauer: 7 Min.

Deutschland steht erneut vor einem radikalen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik. Gesundheitsfonds und Einheitsbeitragssatz haben ausgedient, und die PKV gewinnt wieder an Boden. Die private Krankenversicherung, kurz PKV, wird von der neuen schwarz-gelben Bundesregierung als Voll- und Zusatzversicherung angesehen und als »ein konstitutives Element in einem freiheitlichen Gesundheitswesen« gelobt. »Freiheitlich« für wen?

Die private Krankenversicherung unterscheidet sich von der gesetzlichen vor allem in zwei Punkten: in den Leistungen und im Preis. Während die Gesetzliche von ihren Mitgliedern einen allein vom Arbeitseinkommen abhängigen Finanzierungsbeitrag nimmt, kalkuliert die PKV das persönliche Risiko zu erkranken. Entsprechend kassiert sie von ihren Kunden eine nach Gesundheitszustand und Alter gestaffelte Prämie.

Ein Vergleich der Prämien von Gesetzlich und Privat stößt allerdings in der Praxis auf große Schwierigkeiten. Der direkte Tarifvergleich fällt schon wegen der Strukturunterschiede beider Kassen-Arten schwer. Hinzu kommen die unterschiedlichen Konditionen der rund 50 privaten Anbieter, die wiederum eine Vielzahl von Tarifen und Modulen nach dem Baukastenprinzip zusammenfügen und ihren Kunden anbieten. »Viel Schutz kostet jedoch auch viel Geld«, stellt Ratgeberautor Detlef Pohl (»Gut versichert«) fest und nennt damit das grundlegende Kriterium für jede Kassenwahl.

Kaum Rückkehr in die gesetzliche Kasse

»Viele Länder beneiden uns um unser Gesundheitssystem«, hat der Bund der Versicherten festgestellt. In der solidarisch finanzierten und demokratisch kontrollierten gesetzlichen Krankenkasse sind hierzulande mehr als 70 Millionen Menschen versichert. »Wenige können sich grundsätzlich nur privat versichern. Andere entscheiden sich leider schon viel zu früh und obendrein falsch«, warnt die Verbraucherorganisation vor einem übereilten Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung.

Ein Wechsel sollte gut überlegt sein, denn ein Zurück ist kaum möglich. Freiwillige Mitglieder, die zu einer privaten Krankenversicherung wechseln wollen, sollten in ihre Überlegungen einbeziehen, dass eine spätere Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich ist, warnte bislang das Bundesministerium für Gesundheit.

Vor einem Wechsel in die PKV sollten Sie sich neutral beraten lassen, etwa durch eine Verbraucherzentrale. Informieren Sie sich ausführlich durch Broschüren oder Bücher. Bei einem Abschluss ist größte Skepsis vor Versicherungsvermittlern geboten, denn es werden vom Versicherungskonzern nach unseren Informationen bis zu acht Monatsbeiträge als Provision an den Vermittler bezahlt.

Vor einem Wechsel ist Beratung zu empfehlen

Lassen sie sich vor einem möglichen Wechsel auch von einer gesetzlichen(!) Krankenkasse beraten. Ohnehin ist ein Wechsel nur möglich, wenn ihr Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze von derzeit 4.050 Euro monatlich liegt oder 48.600 Euro im Jahr überschreitet. Nur wer ein höheres Einkommen bezieht, hat die Wahl: Sie können freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse bleiben oder Sie kündigen die Kassenmitgliedschaft und versichern sich privat.

Bislang gilt hierfür noch eine Dreijahresfrist. Als Arbeitnehmer werden Sie erst »freiwillig« krankenversichert, wenn Sie die Versicherungspflichtgrenze in drei aufeinanderfolgenden Jahren überschritten haben. Erst dann wäre es auch alternativ möglich, in eine private Krankenversicherung einzutreten.

Für Selbstständige, Freiberufler und Beamte hat die Versicherungspflichtgrenze keine Auswirkungen. Ein Wechsel in die Privatkrankenversicherung ist unabhängig vom Einkommen möglich.

Ein solcher Wechsel des Versicherers hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Familie. Unter Umständen müssen nämlich auch unterhaltsberechtigte Familienmitglieder, das sind nichtberufstätige Ehepartner und Kinder, privat mitversichert werden. Und das kann Sie teuer zu stehen kommen. Als Faustformel gilt: Richtig attraktiv ist die PKV nur für junge, gesunde Singles und für Doppelverdiener ohne Kinder.

Sobald sich Nachwuchs einstellt, kann freilich aus dem lukrativen Preisvorteil schnell ein kostspieliges Minusgeschäft werden. In einem Beispielfall zahlte eine vierköpfige Familie bei einer PKV rund 1.000 Euro Monatsbeitrag, während die gesetzlich abgesicherte Familie mit 600 Euro auskam, jeweils einschließlich Arbeitgeberanteil. Familien stehen üblicherweise in einer gesetzlichen Krankenkasse finanziell deutlich besser dar als in einer privaten.

Teuer wird es auch für ältere Menschen. Werden die Versicherten älter, steigen nämlich die Beiträge »oft in unerträglicher Weise«, wie Verbraucherschützer kritisieren. Kann ein PKV-Kunde die hohen Beiträge nicht mehr aufbringen, kann er allerdings in einen anderen Tarif desselben Krankenversicherers wechseln. Damit sinken aber meistens zugleich die Leistungen. Das trifft vor allem zu, wenn Privatversicherte in den Standardtarif oder in den seit 1. Januar 2009 neugeschaffenen Basistarif wechseln. In den Standardtarif können nur noch diejenigen wechseln, die schon vor 2009 in der PKV versichert waren.

Tipp: Privat Krankenversicherte können Kosten sparen, indem sie bei der Krankenhausbehandlung von der ersten auf die zweite Klasse umstellen oder höhere Selbstbeteiligungen vereinbaren. Prüfen sie, ob ein Wechsel in einen jüngeren Tarif möglich ist und holen sich Gegenangebote von anderen PKV-Versicherungsunternehmen ein – wenn sie für einen Wechsel gesund genug und nicht schon zu alt sind.

Probleme bekommen PKV-Kunden, die berufs- oder erwerbsunfähig werden und deren Einkommen dadurch erheblich abnimmt: Die PKV berechnet wie bei allen anderen ihre Prämien – im Gegensatz zur Gesetzlichen – unabhängig vom Einkommen.

Bei Arbeitslosigkeit kann es problematisch werden

Problematisch wird es auch, wenn Sie arbeitslos werden oder als Selbstständiger pleitegehen. Dann können Sie zwar von einem teuren Tarif notfalls in den Basis- oder Standardtarif wechseln, doch dieser umfasst nur grundlegende Standardleistungen und er ist im Vergleich zu den Tarifen der gesetzlichen Krankenkassen üblicherweise teurer.

In einigen Bundesländern ist es rechtlich zudem noch ungeklärt, ob das Sozial- oder Arbeitsamt bei Hartz-IV-Empfängern die volle Summe übernimmt. So zahlt im Fall eines früheren Selbstständigen die Kommune nur rund 150 Euro an den privaten Krankenversicherer. Der berechnet aber über 300 Euro. Die Differenz muss der Versicherte bis auf weiteres aus seinem Hartz-IV-Einkommen bezahlen. Er klagt jetzt vor dem Sozialgericht.

Angesichts dieser Nachteile ist es verwunderlich, dass überhaupt Menschen zu einem privaten Krankenversicherer wechseln. Der Bund der Versicherten erklärt das mit einem cleveren Vertriebssystem der Unternehmen, die auf Provisionen setzen. Versicherungsvermittler und Makler hätten dadurch »naturgemäß« ein hohes Interesse an möglichst vielen Abschlüssen, egal, ob der Vertrag im Interesse des Kunden ist oder nicht: »Immerhin können sie für jeden Vertrag oft mehrere Tausend Euro Provision kassieren.«

2-Klassen-Medizin ist längst Realität

Ganz allein an der Gier der Vertriebsleute hängt der Erfolg der privaten Krankenversicherung jedoch nicht. Ärztehonorare, Arzneimittelpreise und Gewinne der Pharmakonzerne treiben die Kosten für unsere Gesundheit in immer neue Milliardenhöhen. Obendrauf kommen noch die kostspieligen Fortschritte bei der Bekämpfung von Volkskrankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt. Das Gesundheitswesen ist bemerkenswerterweise die einzige Branche, in der sich technischer Fortschritt in höheren Preisen niederschlägt. Zugleich hängt jeder zehnte Arbeitsplatz in Deutschland am Gesundheitswesen.

Angesichts der Fortschritte in der Medizin und steigender Lebenserwartung rechnete die bisherige Bundesministerin mit einem Gesundheitswesen, »dass teurer wird«. Diesen Trend dürfte auch die neue und noch stärker Lobby-getriebene Bundesregierung bedienen. Als Verbraucher bleibt da nur die kleine Wahl innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen, die mit im Detail unterschiedlichen Leistungen locken.

Zugleich hängt mittlerweile der Ruch einer 2-Klassen-Medizin am deutschen Gesundheitswesen. Das jeder Patient wirklich das Notwendige erhält, erklärte kürzlich der renommierte Facharzt und Hochschullehrer Jürgen Peters für »eine politisch gepflegte Fata Morgana«. Beispielsweise sei die »blutige Entlassung« aus dem Krankenhaus in Ärztekreisen schon sprichwörtlich.

Der Wechsel soll demnächst wieder leichter sein

Politisch ist das ein Skandal, doch bietet sich persönlich nur eine grundlegende Alternative an: die private Krankenversicherung. Ein Plus der Privaten sind nämlich ihre Leistungen: keine Quartalsgebühr, gänzlich freie Arztwahl oder weniger Zuzahlungen bei Zahnersatz. Allerdings kann ein Großteil des privaten Leistungskatalogs auch durch Zusatzversicherungen der Gesetzlichen aufgefangen werden. In jedem Fall kostet das. Dazu mehr in der nächsten Folge unserer Versicherungsserie.

Die schwarz-gelbe Reform der Gesundheitsreform wird die PKV begünstigen. So sollen die Wahltarife der gesetzlichen Krankenkassen zu den Zusatzangeboten der PKV 2010 klarer abgegrenzt und die Möglichkeiten für die Privaten zur Zusammenarbeit erweitert werden. »Ein Wechsel in die private Krankenversicherung wird zukünftig wieder nach einmaligem Überschreiten der Jahresarbeits-Entgeltgrenze möglich sein«, heißt es zudem im Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Damit entfällt die erst 2007 eingeführte dreijährige Wartefrist für einen Wechsel von der GKV in die PKV schon wieder.

Der Bund der Versicherten hat die Broschüre »Krankenversicherung« herausgebracht. Aus dem Internet kann sie kostenlos heruntergeladen werden: www.bundderversicherten.de.

Bestellung über

Bund der Versicherten e.V.
Postfach 11 53
24547 Henstedt-Ulzburg
Telefon: 04193-94222

Email: info@bundderversicherten.de


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