Moderne Zeiten

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Bundesverfassungsgericht schützt den Sonntag, aber eben nicht nur den heiligen. Am Sonntag sollen sich die Menschen erholen und ihr soziales Zusammenleben organisieren, begründet das Gericht seine Entscheidung zum Berliner Ladenschlussgesetz. Neben der Tatsache, dass die Kirchen nun ein bisschen weniger zu befürchten haben, dass ihre Schäfchen lieber dem Konsumgott an den Adventssonntagen huldigen könnten, ist der Entscheid der Verfassungsrichter in Karlsruhe eine frohe Botschaft für die im Einzelhandel Beschäftigten.

Ein »modernes«, den veränderten Lebensbedingungen angepasstes Ladenschlussgesetz wollte die rot-rote Berliner Landesregierung 2006 schaffen – und siehe, sie schuf die bundesweit liberalste Regelung zum Ladenschluss. Werktags Shoppen rund um die Uhr, zehn verkaufsoffene Sonntage, darunter die vier zum Advent. Zu den modernen Lebensbedingungen gehört auch eine Entgrenzung von Arbeit und Freizeit, die ständige Verfügbarkeit, weil man ja sein Büro immer und überall dabei hat, und damit auch die Auflösung von klaren Arbeitszeiten.

Wie selbstverständlich folgt die Auflösung des Ladenschlusses. Wer nie wirklich Feierabend hat, muss auch immer einkaufen können. Das passt zusammen – und ging einher mit einem 18 Monate andauernden Tarifkampf im Berliner Einzelhandel. Da ging es um die Beibehaltung der Spät- und Nachtzuschläge. Die Beschäftigten bekommen also mit den entgrenzten Ladenöffnungszeiten die »modernen« Arbeitsbedingungen zu spüren. Gut, dass die Karlsruher Verfassungsrichter im Fall Adventssonntag konservativer sind als der Regierende Bürgermeister Berlins.

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