Weiter Weg zur nächsten Wache

Brandenburger Initiative gegen Kürzungspläne

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Polizeiwache im brandenburgischen Zossen droht die Schließung. Doch die Bürgerinitiative (BI) »Zossen zeigt Gesicht« will mit einer Unterschriftenkampagne die Landesregierung umstimmen. Die BI ist durchaus zuversichtlich, denn bereits mehr als 1600 Bürger haben die Petition unterzeichnet.

Brandenburg leidet unter Abwanderung und ist zudem hoch verschuldet. Wegen der klammen Finanzen fährt die Landesregierung seit Jahren einen Sparkurs. Immer mehr öffentliche Gelder sowie Stellen im Landesdienst werden gestrichen. Hiervon ist auch die Polizei stark betroffen. Im südbrandenburgischen Landkreis Teltow-Fläming wurden seit 2002 bereits 60 Polizeistellen gestrichen. Die bisherigen Planungen sehen dort nochmals einen Abbau von 20 bis 22 Polizeistellen vor. Bei der brandenburgischen Landespolizei sollen bis Ende 2009 insgesamt 585 Stellen abgebaut werden, bis Ende 2012 weitere 350.

Rainer Speer (SPD), der seit November neuer Innenminister ist, bekräftigte am Montag bei einem Informationsbesuch des Polizeipräsidiums Potsdam den Personalabbau und kündigte an, auch über das Jahr 2012 hinaus die Polizeistellen zu verringern. Damit setzt Speer den Sparkurs seines Vorgängers Jörg Schönbohm (CDU) fort.

Zwanzig Kilometer von Zossen bis Ludwigsfelde

Andreas Schuster, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hatte in einem Gespräch mit Speer massiven Widerstand angekündigt, wenn es zu weiteren Kürzungen kommen sollte. »Wegen des derzeitigen Personalmangels wird die Arbeit der Polizisten massiv verdichtet. Die Beamten müssen bei geringer Bezahlung mehr arbeiten«, kritisierte Schuster die Sparmaßnahmen. Zudem müsse verhindert werden, dass private Sicherheitsunternehmen Tätigkeiten der Polizei übernähmen. »Diese Firmen haben im Gegensatz zur Polizei keinen gesetzlichen Auftrag«, erklärte Schuster.

Der Zossener Polizeiwache droht sogar die Schließung. Bis Ende 2009 will die Landesregierung endgültig darüber entscheiden, ob und wann die Wache im Landkreis Teltow-Fläming geschlossen wird. Ohne Polizeiwache vor Ort müssten die Zossener weite Wege auf sich nehmen, um Dienste der Ordnungshüter in Anspruch zu nehmen. Oder mit langen Wartezeiten rechnen, bis die Beamten am Tatort sind. Die nächste Wache befindet sich in Ludwigsfelde, das zirka 20 Kilometer von Zossen entfernt liegt.

Doch die Zossener wollen sich damit nicht abfinden. Die Bürgerinitiative »Zossen zeigt Gesicht« hat bisher über 1600 Unterschriften für den Erhalt des Polizeireviers gesammelt. Jörg Wanke, Sprecher der BI, kann den Sparkurs der Landesregierung nicht nachvollziehen. Die Verbrechensbekämpfung werde dadurch geschwächt. »Außerdem führt der Personalmangel zu permanenter Überbelastung bei der Polizei. Ein steigender Krankenstand ist die Folge«, bemängelt Wanke.

Vor allem wegen der Nähe zu Berlin gilt die 17 500 Einwohner zählende Kleinstadt als Schwerpunktbereich für Kriminalität. Die Schließung würde die Wache mit der höchsten Einsatzdichte im Schutzbereich Teltow-Fläming treffen. Im Jahr 2005 wurden in ihrem Bereich insgesamt 3348 Straftaten erfasst.

Schwächung des Kampfes gegen Rechts befürchtet

Zossen ist auch von rechter Gewalt betroffen. Die Stadt gehört zum Aktionsradius einer Gruppe Autonomer Nationalisten, der »Freien Kräfte Teltow-Fläming«. Die Bürgerinitiative setzt dem zunehmenden Rechtsextremismus zivilgesellschaftliches Engagement entgegen. Sie befürchtet nun, dass wegen der Kürzungen bei der Polizei der Kampf gegen Rechts geschwächt werde. »Bisher ist rechte Gewalt durch präventive Polizeiarbeit zumindest eingeschränkt worden. Wir arbeiten in diesem Bereich eng mit den Beamten zusammen«, berichtet der Sprecher der BI. Die Präsenz bürgernaher Beamter, die in ständigem Kontakt mit den Einwohnern stehen, würde bei Schließung der Wache in Zossen der Vergangenheit angehören.

Der GdP-Landeschef versprach hingegen, dass, gleich wie stark die Kürzungen bei der Polizei auch ausfallen mögen, der Kampf gegen Rechtsextremismus in Brandenburg gegenüber allen anderen Problemen absoluten Vorrang habe, sowohl präventiv als auch repressiv.

Unterschriften für den Petitionsausschuss

Die Unterschriftenaktion soll noch bis Jahresende weitergeführt werden. Die gesammelten Unterschriften werden dann dem Brandenburger Petitionsausschuss übergeben. »Ich denke, dass 4000 bis 5000 Unterschriften bis Jahresende eine realistisches Ziel sind«, sagt Jörg Wanke.

Für die Petition werben auch zahlreiche lokale Zossener Politiker. In der Kleinstadt wird parteiübergreifend für den Erhalt der Polizeiwache Stellung bezogen. Schon im Sommer hatte sich die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung gegen die geplante Schließung ausgesprochen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -