Sprechstunde beim Pflanzendoktor
Kostenloser Service für Koblenzer Gärtner
Koblenz. Seine Patienten klagen nicht. Doch sie lassen sich hängen, zeigen deutlich, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Die einen sind mit braunen Flecken überzogen, andere wirken fahl und matt. Auf sie wirft Gärtnermeister Winfried Mathy lediglich einen Blick, dann steht die Diagnose: »Spinnmilben, extremer Befall.« Mathy ist ein Pflanzendoktor. Fünfmal im Jahr tritt der 48-Jährige mit zwei Kollegen in Aktion – ein kostenloser Service für Menschen, deren grüner Daumen Pause macht.
Dann funktionieren die drei Experten ein Pflanzenhaus der Stadtgärtnerei Koblenz zum Sprechzimmer um. »Mal kommen 20, mal 50 Leute. Wir haben immer gut zu tun«, sagt Mathy. Er wirkt gemütlich und anpackend zugleich – und wie einer, der für ein Späßchen zu haben ist. Mathy ist seit 30 Jahren im Beruf. Seit Mitte der 90er Jahre berät er Haus- und Kleingärtner offiziell als Pflanzendoktor, jährlich muss er sich diesen Titel an der Gartenakademie Rheinland-Pfalz zertifizieren lassen.
Ein Stück vom Patienten
Etwa 50 anerkannte Pflanzendoktoren gibt es landesweit, allesamt Experten aus der Gartenbaubranche. Vor Mathy und seinen Kollegen auf dem Tisch liegen Fachbücher und Zeitschriften, hin und wieder lesen sie etwas darin nach. »Wir sind Experten für Zierpflanzen. Wenn es um Obst und Gemüse geht, müssen wir mal etwas nachschlagen«, erklärt Gärtnermeister Mathy. Die Sprechstunde ist gut besucht. Immer wieder rollt die Schiebetür zur Seite, tritt ein neuer Besucher in das Gewächshaus und nimmt am Ende einer Stuhlreihe Platz. Ein Mann sitzt bereits, vor ihm auf einem Tisch steht ein Pflanzkasten, aus dem zartes Grün sprießt. Auf dem Schoß einer Frau liegt ein Frischhaltebeutel, darin einzelne Blätter. »Vom Oleander«, sagt sie. Aus dem Korb einer anderen lugen zwei trockene Zweige.
Um eine Diagnose stellen zu können, müssen die Pflanzenärzte zumindest ein Stück der erkrankten Pflanze begutachten. Im Zweifel geht das Material zur Analyse an die Gartenakademie.
Verstäubtes Wasser
Dieser Umweg ist im Fall von Lothar Tributkait nicht nötig. Er erfährt direkt, was seiner Stockrose fehlt, als er zwei ihrer Blätter vorlegt: Schädlinge machen dem Gewächs zu schaffen. Der Doktor notiert rasch ein Mittel und reicht Tributkait das Rezept. Der ist begeistert. »Toller Service.«
Rosen sind klassische Patienten in der Sprechstunde. Und Orchideen. »Die kommen oft«, sagt Mathy. Meist werden sie falsch gegossen. »Es reicht, wenn man sie mit verstäubtem Wasser besprüht.« Jetzt im Herbst haben es die Pflanzendoktoren auch häufig mit Pilzbefällen zu tun. Manchmal können sie mit einfachen Tipps weiterhelfen: ein anderer Standort oder ein Hausmittelchen. Wenn es nicht anders geht, nennen die Experten auch chemische Produkte.
»Vielen sind ihre Blumen sehr wichtig, deshalb versuchen sie alles, um sie zu retten«, sagt Mathy, der privat Bonsais züchtet und sich einen mediterranen Garten angelegt hat. Immer wieder hört er persönliche Geschichten, die hinter dem Grün stecken. Es sind vor allem Erinnerungen an liebe Menschen. Mathy weiß: »An Pflanzen hängen viele Emotionen.«
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