Holbrooke wirbt um mehr Soldaten
US-Gesandter kritisiert bisherige Afghanistan-Strategie / CSU skeptisch zu Truppenaufstockung
Berlin (AFP/ND). In einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« antwortete der US-Sondergesandte Holbrooke auf die Frage, ob die Bundesregierung lieber zusätzliche zivile Helfer oder mehr Soldaten schicken solle: »Schön wäre beides.« Der US-Beauftragte für Afghanistan und Pakistan sagte, es sei »kein Problem«, wenn Deutschland für eine derartige Entscheidung noch sechs Wochen brauche. Auch der Entscheidung der US-Regierung, 30 000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan zu schicken, sei eine mehrmonatige Prüfung vorausgegangen.
Holbrooke kritisierte die bisherige internationale Afghanistan-Strategie. Ursprünglich sei geplant gewesen, dass sich die Deutschen um die Ausbildung der afghanischen Polizei, die Briten um den Kampf gegen den Drogenhandel und die Italiener um den Aufbau des Rechtssystems in Afghanistan kümmerten. »Das Ganze war unkoordiniert und hat uns nicht sonderlich weit gebracht«, sagte der US-Gesandte der »SZ«. »Im Ergebnis fangen wir im neunten Jahr des Krieges wieder von vorne an.«
Im Gespräch mit der »Berliner Zeitung« lobte Holbrooke den Einsatz der Bundeswehr in Nordafghanistan. Die Lage dort werde »immer gefährlicher«, so dass die deutschen Soldaten »unabkömmlich« seien. Der von der Bundeswehr angeforderte Luftangriff auf zwei Tanklastzüge nahe Kundus Anfang September habe allerdings »sehr geschadet«.
Rückblickend kritisierte der US-Sondergesandte die Irak-Politik der USA nach dem 11. September 2001. »Die USA haben sich auf Irak konzentriert, das war ein Riesenfehler«, sagte er dem ZDF. »Jetzt müssen wir die Folgen tragen und das reparieren.« Aus diesem Grund habe US-Präsident Barack Obama in der vergangenen Woche die Entscheidung getroffen, 30 000 zusätzliche US-Soldaten nach Afghanistan zu schicken und die Verbündeten aufgefordert mitzumachen.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl (CSU), äußerte sich skeptisch über eine mögliche deutsche Truppenaufstockung. Nach acht Jahren Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch sei es »unangemessen, die Diskussion über mehr oder weniger Soldaten in den Vordergrund zu stellen«, zitiert der »Kölner Stadt-Anzeiger« aus einem Positionspapier von Uhl. Vielmehr bedürfe es »einer Überprüfung unserer Ziele und einer effektiven Strategie zu deren Erreichung«. Erst danach solle über die dafür notwendigen Mittel nachgedacht werden.
Die geplante Aufstockung des US-Kontingents in Afghanistan wird die Taliban nach Einschätzung eines Vertreters der US-Armee massiv unter Druck setzen. Wenn sich die Aufständischen auf eine direkte Konfrontation mit den US-Soldaten einließen, würden sie »einfach vernichtend geschlagen«, sagte der US-Vertreter. Daher würden die Taliban voraussichtlich häufiger Selbstmordattentate verüben.
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