Versicherungen in Serie - Teil 12 - Bei der Pflegeversicherung kommen jüngere Menschen zu kurz

Assekuranz

  • Lesedauer: 6 Min.

Mehr als zwei Millionen Menschen sind in Deutschland pflegebedürftig. Und da wir alle auch in Zukunft im Schnitt deutlich älter werden als frühere Generationen, wird die Zahl der hilfsbedürftigen Menschen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch deutlich zunehmen.

Dies ist an sich eine gute Nachricht. Zugleich werden mit dem demografischen Wandel aber auch neue Fragen aufgeworfen, auf die das deutsche Gesundheitswesen bislang keine befriedigenden Antworten bietet. So sinken in der aktuellen Wirtschaftskrise die Einnahmen der Pflegeversicherung. Doch schon vorher überstiegen die Ausgaben häufig die Einnahmen, und die laufenden Betreuungskosten wurden teilweise aus angesparten Rückstellungen finanziert.

Aber nicht allein die Finanzlage ist hilfsbedürftig, auch um die Qualität der Pflege ist es vielerorts nicht zum Besten bestellt. Es gibt also gute Gründe, um zu prüfen, ob nicht eine private Zusatzversicherung sinnvoll ist.

Der fünfte Baustein: Das »Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit« stellt den fünften Baustein in der gesetzlichen Sozialversicherung dar. Die anderen vier sind gesetzliche Krankenversicherung, Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung. Die Pflegeversicherung deckt – im Bürokratendeutsch – aber nur einen Kostenanteil der häuslichen und stationären Pflege bei Personen mit andauerndem und nachgewiesenem Bedarf an solcher Versorgung ab.

Wer sich nicht mehr vollständig selber versorgen kann, wird nicht mehr automatisch in ein Heim gesteckt, sondern ihm kann Zuhause geholfen werden. Im Gegensatz zu früher gilt heute der Grundsatz »ambulant vor stationär«.

In der Praxis ist jeder Pflegebedürftige allerdings auch längst zu einem kommerziellen Kunden auf einem bunten Markt an Dienstleistungen geworden. Aber wie steht es dabei um Kundensouveränität, um Beratung und Interessenvertretung? Oftmals schlecht, kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Berlin. Seit der Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes im Jahre 1995 ist jedoch trotz dieser Mängel jeder Krankenversicherte automatisch auch Mitglied in einer Pflegeversicherung.

Doch haben wir, haben Sie persönlich damit notfalls ausgesorgt? Mitnichten, denn die Pflegeversicherung bietet keine üppige Vollversicherung zum Rund-um-Wohlfühlen, sondern begnügt sich mit einer mehr oder weniger schlichten Grundversorgung.

So zahlen Krankenkassen für einen ambulanten Pflegedienst, der ins Haus kommt, in der höchsten Pflegestufe III etwa 1.500 Euro monatlich. Eine Summe, die nur auf den ersten Blick auskömmlich erscheint. Im realen Alltag bedeutet sie nur Teilkasko, und ein persönlicher 24-Stunden-Service für eine kranke Mutter oder den schwer gehbehinderten Großvater lässt sich damit nicht finanzieren.

Auch bei der Wahl eines Heimes bleibt die Auswahl klein, wenn Sie sich allein auf die gesetzliche Pflegeversicherung verlassen müssen. Bei außergewöhnlich hohem Betreuungsaufwand übernehmen Kassen in der Pflegestufe III lediglich Kosten bis zu 1.700 Euro monatlich. Entsprechend durchrationalisiert haben daher die Betreiber das Tagwerk der meist weiblichen Pflegerinnen. Selbst der engagiertesten und liebenswürdigsten Hilfskraft bleibt unter diesem Sparzwang kaum Zeit für ein persönliches Wort an ihren »Kunden« übrig.

Pflegefall vor der Rente: Wird man erst im Rentenalter pflegebedürftig, so stehen in der Regel neben der Pflegeversicherung noch zusätzlich die Leistungen aus der gesetzlichen und privaten Altersversorgung zur Verfügung. »In diesem Fall ist eine zusätzliche Pflegepolice nicht unbedingt nötig«, meint Versicherungsexperte und Ratgeber-Autor Michael Wortberg (»Richtig versichert – viel Geld gespart«). Anders sieht es jedoch aus, wenn man schon in jüngeren Jahren beispielsweise durch einen Autounfall zum Pflegefall wird. Darum sollten gerade jüngere Leute darüber nachdenken, ob sie sich eine zusätzliche private Pflegeversicherung leisten wollen und leisten können.

Zusatztarife: Sie werden in drei Varianten von Krankenkassen und Lebensversicherungsunternehmen angeboten. Die erste Variante, eine Pflegerentenversicherung, ist grundsätzlich nicht zu empfehlen, da es sich hierbei um eine Kombination mit einem Sparvertrag handelt. Beides sollte man klar voneinander trennen.

Demgegenüber wird bei der Pflegetagegeldvariante ein vereinbarter Geldbetrag pro Tag zugesichert, je nach Pflegestufe. Dagegen orientiert sich die Pflegekostenvariante an der Praxis der Krankenversicherer: Erstattet werden die tatsächlich entstandenen Kosten, bis zu einem bestimmten Höchstbetrag oder bis zu einem bestimmten Prozentsatz. Die Pflegekostenversicherung ist quasi die Vollkasko-Variante unter den Zusatzpolicen, aber auch entsprechend teuer.

Tipps für Einsteiger: Generell gilt bei allen Pflegezusatztarifen, dass die Beiträge mit zunehmendem Eintrittsalter steigen. Frauen zahlen aufgrund der längeren Lebenserwartung höhere Beiträge als Männer. Bevor Sie einen Vertrag abschließen, sollten Sie auch noch über die folgenden Punkte nachdenken.

– Bedarf: Schließen Sie eine Pflegetagegeldversicherung frühzeitig ab. Sie sollten nicht älter als 55 Jahre und möglichst gesund sein.

– Gesundheitsfragen: Beantworten Sie die Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag immer vollständig und wahrheitsgemäß. Selbst wenn Sie versehentlich etwas nicht angegeben haben, können Sie dadurch Ihren Anspruch auf Versicherungsleistungen verlieren. Fragen Sie im Zweifel Ihren Hausarzt nach vergangenen Krankheiten, Untersuchungen und Behandlungen.

– Beiträge: Sie sollten die hohen Beiträge dauerhaft aufbringen können. Die Beiträge sind zwar so kalkuliert, dass sie bei gleichen Leistungen nicht mehr steigen dürfen, nur weil der Versicherte älter wird. Liegen jedoch in Zukunft die Leistungsausgaben über dem Wert, den der Versicherer dafür einkalkuliert hat, kann auch die Höhe der Beiträge steigen, warnen die Verbraucherzentralen. Müssen Sie dann Ihre Versicherung kündigen, weil Sie sich die Beiträge nicht mehr leisten können, verlieren Sie das gesamte bis dahin eingezahlte Geld.

– Dynamik: Vereinbaren Sie bei Vertragsabschluss die Anpassung der Versicherungsleistung an die allgemeinen jährlichen Kostensteigerungen und zwar ohne erneute Gesundheitsprüfung. Das ist für Pflegetagegeldversicherungen sinnvoll.

– Anträge: Stellen Sie mehrere Anträge bei unterschiedlichen Versicherungsgesellschaften gleichzeitig. Sie können nämlich bei Vorerkrankungen nicht sicher sein, ob und zu welchen Konditionen ein Versicherer Sie annimmt. Sind Sie einmal abgelehnt worden, kommen Sie später in der Regel auch nicht mehr bei anderen Versicherern unter. Erhalten Sie dann von mehreren Versicherern ein Angebot, wählen Sie das beste aus und widerrufen Sie die übrigen innerhalb von 14 Tagen.

– Alternativen: Überlegen Sie, ob eine »kleine« Pflegetagegeldversicherung für Sie sinnvoll ist. Eine unter Umstände zweckmäßige Alternative bietet auch die »große« Pflegekostenversicherung. Verfügen Sie über ein stark schwankendes oder unsicheres Einkommen, sollten Sie in guten Zeiten überschüssiges Geld besser auf andere Art anlegen, etwa in einem Bank- oder Fondssparplan oder in Bundeswertpapieren, rät die Stiftung Warentest. Dann steht das Ersparte später im Pflegefall oder in einer anderen finanziellen Notlage zur Verfügung.

In einem Vergleich der Stiftung Warentest schnitten von 26 Versicherern in den meisten – nach Geschlecht unterschiedenen – Altersgruppen die Versicherer DKV, VGH und Hanse-Merkur mit »gut« ab.

Wie Sie sich auch persönlich entscheiden mögen, politisch steht die Zukunft der Pflege grundsätzlich zur Diskussion: Mehr Eigenverantwortung oder mehr gesellschaftliche Solidarität lautet die Frage. Die Pflege einer immer größeren Anzahl hilfsbedürftiger Menschen sollte nachhaltig organisiert werden – vom Staat und auch privat.

Nützlich für Betroffene und Angehörige ist der Ratgeber »Pflegefall – was tun?«. 295 meist informative Seiten kosten 12,90 Euro im Buchhandel.

HERMANNUS PFEIFFER

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