Schwere Vorwürfe gegen dänische Polizei
Klimagipfel überschattet von Übergriffen gegen Protestierer / Verhandlungen vor entscheidender Phase
In einer Lagerhalle im Kopenhagener Polizeihauptquartier stehen rund 40 Stahlkäfige. Sie wurden aus Deutschland angeliefert und stammen noch von den G8-Protesten in Heiligendamm im Sommer 2007. Gut zwölf Stunden lang wurden dort am Wochenende Hunderte Demonstranten in Haft gehalten. Jüngste Gesetzesverschärfungen erlauben es der dänischen Polizei, Demonstranten in Präventivhaft zu nehmen, wenn diese »Ordnung und Sicherheit gefährdende« Absichten haben. Über 600 der mittlerweile wieder freigelassenen Protestler wollen gegen die Willkür der Sicherheitsbehörden juristisch vorgehen.
Hinzu kommen nun auch Berichte über Polizeiübergriffe. Als in der Nacht zu Montag Gefangene laut riefen und an den Gittern rüttelten, seien Beamte auf die Käfige geklettert und hätten die Insassen mit Pfefferspray besprüht, erklärte der Anwalt Mark Jorgensen, der Aktivisten vertritt. Davon sollen auch viele Gefangene betroffen gewesen sein, die sich ruhig verhalten hätten. Eine Aktivistin berichtete zudem, Gefangenen seien die Decken, Matten und das Wasser weggenommen worden. Auch die dänische Sektion von Amnesty International kritisierte das Vorgehen der Sicherheitsbehörden als »vollkommen unverhältnismäßig«. Von 968 Personen, die nach offiziellen Angaben allein während der Großdemonstration am Sonnabend festgenommen wurden, seien lediglich gegen 13 konkrete Vorwürfe erhoben worden.
Wenn es das Kalkül der massiven Polizeieinsätze war, den Protest in Kopenhagen deutlich zu schwächen, so scheint dieses aufgegangen zu sein. Am Sonntag blieb eine geplante Hafenbesetzung schon in den Anfängen stecken, wobei erneut zahlreiche Aktivisten festgenommen wurden. Die Verhaftungswut reißt nicht ab: In der Nacht zu Dienstag stürmten Beamte mit Wasserwerfern und Tränengas in den »Freistaat Christiania« und nahmen 200 Teilnehmer einer Feier fest. Zuvor hatten kleine Gruppen vor dem Eingang des besetzten Kasernengeländes Barrikaden gebaut, Feuer entzündet und nach Polizeiangaben Brandsätze geworfen. Die wohl brisanteste Konfrontation steht erst noch bevor: Für heute haben Aktivisten angekündigt, das Tagungszentrum der UN-Konferenz symbolisch zu »stürmen« und eine Versammlung abzuhalten, zu der jeder Zugang hat.
Beim Gipfel selbst, an dem mittlerweile 193 Staaten teilnehmen, wurden am Dienstagnachmittag die Verhandlungen der Umweltminister offiziell eröffnet. In den kommenden 48 Stunden müssten die Minister sehr hart und konzentriert arbeiten, sagte Konferenzpräsidentin Connie Hedegaard. Neben konkreten Zielen zur Reduzierung der Treibhausgase und Finanzierungsfragen gehört nach den Worten der dänischen Umweltministerin der künftige Überwachungsmechanismus zu den Hauptstreitpunkten. Vor allem die Schwellenländer, aber auch die USA sträuben sich gegen eine strenge Berichtspflicht bei der Umsetzung ihrer Klimapolitik.
UN-Klimachef Yvo de Boer sprach von deutlichen Fortschritten bei den Verhandlungen. Am Ende werde es aber Aufgabe der Staats- und Regierungschefs sein, die ab Donnerstag verhandeln, einen Erfolg zu erzielen.
Umwelt- und Entwicklungsverbände protestierten unterdessen gegen den Ausschluss der meisten ihrer Mitarbeiter von der Konferenz. Seiten 8 und 16
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